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Ex-Abgeordnete ist heute »Putzfee«

Nach der Wahlniederlage 2005 auf Arbeitssuche gegangen - ohne Erfolg

Von Katrin Pepping
Monheim (dpa). »Wer arbeiten will, der bekommt auch Arbeit«: Dies hätte Lilo Friedrich, ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete, jederzeit unterschrieben, bis sie nach der Wahl 2005 selbst auf Arbeitssuche ging - und dabei scheiterte.

Nach 100 fehlgeschlagenen Bewerbungen sah die 57-Jährige nur noch eine Möglichkeit: die Selbstständigkeit. Seit Juni bietet sie im Umkreis von Monheim ihre Dienste als »Putzfee« und Haushaltshilfe an. Dass nach 100 Absagen manche ihrer Polit-Statements zweifelhaft geworden sind, gibt Lilo Friedrich unumwunden zu.
»Eigentlich suchen wir ja was Jüngeres«, diesen Satz habe man ihr unzählige Male um die Ohren gehauen. Die gelernte Näherin und Mutter von sechs Kindern wollte nach sieben Jahren im Bundestag als Altenpflegerin oder Textil-Verkäuferin arbeiten. Doch potenzielle Arbeitgeber hätten sie entweder für zu alt, für überqualifiziert oder für zu selbstbewusst befunden.
»Mit 57 wollte ich aber noch nicht daheim bleiben«, sagt die resolute Rothaarige, »und ohne meinen Verdienst hätten wir uns finanziell sehr einschränken müssen.« Ihr Mann ist Frührentner, zwei ihrer Kinder sind noch in der Ausbildung. »Die Menschen denken, man kommt zurück und hat ausgesorgt«, sagt sie. Bis Mai diesen Jahres erhielt sie noch 7009 Euro monatlich Übergangsgeld vom Bundestag. Eine Rente, 1600 Euro, bekomme sie erst mit 65.
Nicht nur Friedrichs Ansichten über die angeblichen Chancen bei der Arbeitssuche haben sich verändert. Auch über einige ihrer früheren politischen Entscheidungen zum Thema Arbeitslosigkeit denkt die 57-Jährige heute anders: »Ich habe Hartz IV mitentschieden. Aber wir müssen viel genauer hinsehen, wen es trifft und wie. Denn es ist ja keine Arbeit da.«
Mit Blick auf ihre ehemaligen Parlaments-Kollegen sagt sie: »Es würde so manchem gut tun, die Erfahrungen zu machen, die ich gemacht habe. Was ich im letzten Jahr erlebt habe, können sieben Jahre im Bundestag nicht wettmachen.«
Nach den vorgezogenen Neuwahlen habe ihr lediglich eine Versicherung einen repräsentativen Posten angeboten. »Aber ich bin doch nicht blöd«, sagt Friedrich über dieses Angebot. »Die wollten nicht mich, sondern meine Kontakte.« Deshalb putzt sie nun für 11,50 Euro brutto die Stunde. »Reichtümer kann ich so nicht erarbeiten, aber es macht Spaß.«
Gut die Hälfte ihrer Kunden seien ältere Leute. »Viele müssten sonst ins Pflegeheim, wenn sie keine Haushaltshilfe hätten«, sagt sie, »da bin ich oft auch seelischer Mülleimer.« Einen Putzfimmel habe seine Frau schon immer gehabt, schmunzelt Ehemann Karl-Heinz Friedrich: »Wenn wir früher in der Urlaub gefahren sind, ist Lilo als letzte rückwärts aus dem Haus mit dem Staubsauger in der Hand.«
Ebenso wie ihre Parteifreunde war auch Friedrichs Familie zunächst wenig begeistert, als sie sich mit »haushaltsnahen Tätigkeiten« selbstständig machen wollte. Doch die energiegeladene Ex-Politikerin ließ sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen - mit Erfolg: »Ich bin voll ausgelastet«, sagt Friedrich. In den nächsten Tagen will Friedrich sogar eine weitere Mitarbeiterin auf 400 Euro Basis engagieren: »Aber ich werde nur Frauen über 50 einstellen.«

Artikel vom 25.08.2006