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Zwei Schweizer, zwei Ansichten im Herzzentrum

Maler Albert Merz und Fotograf Romeo Vendrame

Von Silke Schade (Text und Foto)
Bad Oeynhausen (WB). »Schweizer Ansichten«: Wer bei diesem Titel eine Ausstellung erwartet, in der sich alles um Alphörner, Käse und Schokolade dreht, liegt mit Sicherheit falsch. Denn alles, was an den Werken, die von Freitag an im Herzzentrum gezeigt werden, typisch schweizerisch ist, sind die Künstler, die sie geschaffen haben.

»Kunst und Literatur bilden eine wunderbare Einheit«, findet Michael Scholz, Koordinator der Poetischen Quellen. Deshalb freut er sich, dass auch das Kunstforum des Herz- und Diabeteszentrums das Länderthema des Literaturfestes aufgegriffen und zwei eidgenössische Künstler eingeladen hat: Albert Merz, Maler, und Romeo Vendrame, Fotograf.
Beide verbindet eine »tiefe, nicht nur künstlerische Freundschaft«. »Wir kennen uns seit mehr als 30 Jahren«, sagt Albert Merz. Was nicht bedeutet, dass beide den gleichen Standpunkt hätten. Der Titel der Ausstellung träfe deshalb auch nicht ganz zu, fügt Romeo Vendrame hinzu. »Zwei Schweizer, zwei Ansichten«, so läse er es auf der Einladung schon viel lieber. Und tatsächlich: Wer durch die Ausstellung mit ihren rund 80 Exponaten wandert, wird mit ganz unterschiedlichem Kunstverständnis konfrontiert.
Albert Merz hat seine Wurzeln zwar in der Zentralschweiz, ist aber 1980 nach Berlin geflohen, »weil es mir in der Schweiz zu eng wurde«. Ob dieser Freiheitsdrang auch in seine Kunst Eingang gefunden hat, muss der Betrachter selbst erkennen. Merz' Werke verbinden jedenfalls das Gegenständliche mit dem Abstrakten. Mal sind Wolken, mal Berge, dann wieder Köpfe zu sehen, die von Ketten, Punkten und Netzen überlagert, umschlängelt oder verbunden werden. Und immer wieder taucht sein Lieblingsmotiv auf: das Gefäß. »Es fasziniert mich, weil es Dinge sammelt, birgt und bündelt«, sagt der 64-Jährige. Auch liebt er es, mit Gegensätzen zu jonglieren: schwarz und weiß, eckig und rund, oben und unten, rechts und links.
Für Spannung sorgen auch die Fotografien von Romeo Vendrame. »Klassische Postkartenmotive sind doch langweilig«, findet der 57-Jährige, der in Zürich lebt und arbeitet. Deshalb fotografiert er Bilder nochmals ab, vergrößert oder verkleinert Motive und verfremdet sie teilweise sogar bis zur Unkenntlichkeit. Ein Farbfleck, der sich auf einer Folie spiegelt, mutet dem Betrachter wie ein UFO an. Blätter und Zweige, fotografiert im Tessiner Tal, wirken wie ein Feuerwerk am New Yorker Abendhimmel. Und ein verfremdetes Gesicht stellt sich wie die Milchstraße dar.
Bei allen Unterschieden - es gibt auch eine Gemeinsamkeit von Merz und Vendrame: Immer mal wieder türmt sich auf einem ihrer Bilder ein Berg in die Höhe. Alles andere wäre für zwei Schweizer ja auch eine herbe Enttäuschung gewesen.
l Eröffnet wird die Ausstellung an diesem Freitag um 19 Uhr im Hörsaal des Herz- und Diabeteszentrums. Zur Einführung sprechen Dr. Urs Bugmann, Kunstkritiker der Neuen Luzerner Zeitung, und der Schweizer Schriftsteller Christoph Geiser. Für die musikalische Begleitung sorgt Ma-Lou Bangerter am Alphorn. Die Ausstellung ist bis zum 25. November täglich von 9 bis 19 Uhr zu besichtigen. Eintritt frei.

Artikel vom 24.08.2006