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Polizei kennt
den zweiten
Bahn-Bomber

Durchsuchungen auch in NRW

Berlin (dpa/Reuters). Drei Tage nach der Festnahme von einem der beiden mutmaßlichen Kofferbomben-Attentäter haben die Ermittler auch den zweiten Hauptverdächtigen identifiziert. Der zuletzt in Köln lebende Mann ist laut Generalbundesanwältin Monika Harms auf der Flucht.
Bei der Suche nach den Bahnattentätern nahm die Polizei in Oberhausen und Kiel offenbar weitere Verdächtige fest. Augenzeugen berichteten, in Oberhausen hätten vermummte Polizeibeamte gestern ein Haus gestürmt. Kurze Zeit später sei ein Mann zu dem Haus gekommen und habe sich widerstandslos festnehmen lassen. Zeitgleich durchsuchten Ermittler des Bundeskriminalamts (BKA) ein Mehrfamilienhaus in Köln. Dort befindet sich offenbar die Wohnung eines 20-jährigen Verdächtigen, der aus dem Libanon stammen soll.
Auch in Essen wurde nach ZDF-Informationen ein Mann vorübergehend festgenommen. Nach Angaben der »Neuen Rhein/Neuen Ruhr Zeitung« sollen bei einem Essener Autohändler Gasflaschen sichergestellt worden sein, die im Zusammenhang mit dem Attentatsversuch stehen könnten.
Generalbundesanwältin Harms wollte gegen den flüchtigen mutmaßlichen »Kofferbomber« Haftbefehl beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes beantragen. Der Antrag werde sich auf den Verdacht der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, des vielfachen versuchten Mordes und der versuchten Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion stützen. Das persönliche Umfeld des flüchtigen Tatverdächtigen und des in Kiel festgenommenen libanesischen Studenten werde aufgeklärt. Deshalb liefen bundesweit Durchsuchungsmaßnahmen, teilte die Bundesanwaltschaft mit. Beide Männer sollen Ende Juli in zwei Regionalzügen in NRW Kofferbomben deponiert haben, die aber nicht detoniert sind.
Das Umfeld des in Kiel festgenommenen Libanesen soll Verbindungen zu der islamistischen und anti-israelischen Partei Hizb ut-Tahrir (»Partei der Befreiung«) unterhalten, die 2003 verboten worden war. Der Sprecher einer ins Visier der Ermittler geratenen Moschee in Hamburg bestritt jeden Kontakt zu dem Verhafteten.
Nach der Aufdeckung der geplanten Attentate bleibt die Lage nach Worten von Wolfgang Schäuble (CDU) ernst. Die Sorgen wegen eines möglichen Terroranschlags in Deutschland seien weiter »leider sehr real«, sagte der Bundesinnenminister. BKA-Präsident Jörg Ziercke sprach sich gegen eine totale Videoüberwachung aus: »In einer offenen Gesellschaft kann es keine totale Videoüberwachung geben.« SPD-Chef Kurt Beck sprach sich indirekt für eine »Indexdatei« aus. Damit erhielten Polizei und Geheimdienste Hinweise auf Informationen der anderen Dienste, ohne sofort einen direkten Zugriff auf die Daten zu haben. SPD und Grüne lehnten den Einsatz bewaffneter Zugbegleiter (»Rail Marshals«) nach dem Vorbild der »Sky Marshals« im Luftverkehr ab. Es könnten nicht alle Züge gesichert werden, sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast. Themen der Zeit

Artikel vom 23.08.2006