24.08.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Bush junior, die
Gardinenstange

Plötzlich kann man sich alles merken

Von Manfred Stienecke
(Text und Foto)
Paderborn (WV). Zwanzig beliebige Stichwörter in festgelegter Reihenfolge behalten - innerhalb von Minuten schafft das jeder. Jedenfalls dann, wenn man die Gedächtnis-Tricks von Gregor Staub kennt.

Der erfolgreiche Gedächtnistrainer, der nach eigenen Angaben bereits eine Viertelmillion Kursusteilnehmer geschult hat, war am Dienstag zu Gast im Schloß Neuhäuser Berufskolleg. Am Vormittag gab's zwei geschlossene Schüler-Schnupperkurse, und am Abend verblüffte der quirlige 52-Jährige, der gut und gern für 42 »durchgehen« würde, mehr als 200 Neugierige in einer öffentlichen Veranstaltung von der Leistungsfähigkeit ihrer grauen Zellen.
Staub ist immer einer der ersten im Saal. Ganz leger im schwarzen T-Shirt begrüßt er die Gäste persönlich per Handschlag. Man stellt sich mit Vornamen vor und kommt ins Plaudern. Im Verlauf der kurzweiligen »Nachhilfestunde« überrascht der Referent dann immer wieder mit seinem phänomenalen Namensgedächtnis, wenn er einzelne Besucher mit ihren Vornamen anspricht. Sein Rezept scheint ganz einfach. »Bei Natalia habe ich mir ihre schlanke Taille gemerkt, Nadine trug eine Piercing-Nadel, und Melanie hat mich mit ihren blendenden Zähnen angelächelt - so weiß wie Mehl«, verrät er seinen Merk-Kniff. Da muss man erst mal drauf kommen.
In seiner lockeren, sympathischen Art gelingt es Staub ganz einfach, die Gäste aus der letzten Reihe nach vorn zu holen. »Ich brauche Augenkontakt, damit ich sehe, wie das Publikum reagiert«, so seine einleuchtende Begründung. Danach geht alles wie von selbst. Das sprichwörtliche Eis ist längst gebrochen. Die Zuhörer machen bereitwillig mit. »Sie werden üben wie die Kinder«, verspricht der Trainer, »entspannt, fröhlich und ohne Hemmungen, Fehler zu machen.« Tatsächlich - das klappt.
Zunächst wird das Zahlengedächtnis aktiviert. Dazu prägen sich die Teilnehmer die Ziffern als Gegenstände ein. Für die 1 steht der Baum (vertikale Form), die 2 ist eine Lampe (»ein und aus«), die 3 ein Hocker (drei Beine), die 4 ein Auto (vier Räder), die 5 die Hand (fünf Finger) und so weiter. Und dann wird zu einer zehnstelligen Ziffernfolge eine Geschichte entwickelt, in der die gemerkten Symbole in eben dieser Reihenfolge eine Rolle spielen. Genial.
Ähnlich wird der geistige »Spickzettel« angelegt. Zunächst merkt man sich zehn beliebige Punkte im Raum - Pult, Vorhang, Pfeiler, Pflanze -, denen dann jeweils in der zuvor festgelegten Reihenfolge ein Begriff zugeordnet wird. Der gedankliche Rundgang präsentiert dann wie von Geisterhand die jeweils benötigten Stichwörter. Den meisten Gästen gelingt es auf diese Weise innerhalb von nur drei Minuten, die letzten zehn amerikanischen Präsidenten in der richtigen Reihenfolge aufzusagen - Kennedy ist der Filzschreiber, Nixon der Lautsprecher, Bush jr. die Gardinenstange. Das funktioniert.
In das Berufskolleg ist Staub sogar honorarfrei gekommen. Die Schule kann die Einnahmen getrost dem Förderverein zur Verfügung stellen. Und trotzdem macht der Referent natürlich nichts umsonst. Die beiden Trainingssstunden entpuppen sich schnell als subtile Werbeveranstaltung. Die Verblüffung seiner Zuhörer ob der ungeahnten und offenbar erst durch seine »Mnemo-Technik« aktivierten Fähigkeiten nutzt Staub geschickt, um sein Lernprogramm zu verkaufen. »Normalerweise kostet das 245 Euro«, preist er den Schuber mit zwölf Lern-CDs und Begleitbuch an. »Wieviel ist es euch wert?« Für Schüler und Studenten gehe er immer mit dem Preis runter, gibt er Anreize zur Bestellung. Man einigt sich auf 80 Euro. Staub: »Ich verkaufe lieber viel mit wenig Gewinn als wenig für einen hohen Preis.« Der Mann muss Schweizer sein.

Artikel vom 24.08.2006