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Anonymität ist
keine Lösung

Mit dem Tod auseinandersetzen


Die Bestattungs- und Trauerkultur in Deutschland befindet sich im Umbruch. Vor allem in städtisch geprägten Regionen verlieren althergebrachte, häufig kirchliche Rituale immer mehr an Bedeutung und anonyme Beisetzungen und Feuerbestattungen nehmen vielerorts zu.
Immer mehr Menschen leben heute allein und entscheiden sich für eine anonyme Bestattung. Auch viele Menschen mit Familie möchten ihren Nachfahren nicht mit der Grabpflege zur Last fallen und wählen die Anonymität, was umgekehrt die Trauerbewältigung der Angehörigen und Freunde erschwert. Wir verdrängen die Auseinandersetzung mit dem Tod, und wenn der Todesfall dann unweigerlich in der Familie oder im engeren Bekanntenkreis eintritt, werden Dienstleister mit den nötigen Aufgaben betraut. Ein würdevoller Abschied ist so schwierig. In der heutigen, schnelllebigen Zeit müssen Besinnung und Einkehr erst wieder neu gelernt werden. Besonders wichtig ist dabei ein realer Ort der Erinnerung, der besucht, aber auch wieder verlassen werden kann, wie ihn die persönliche Grabstätte auf einem Friedhof bietet.
In Gegenden, wo die Religion an Bedeutung verloren hat, entstehen auf der Suche nach Sinngebung neue Formen der Trauerbewältigung: Selbsthilfegruppen, Psychologenrunden und weltlich orientierte Trauerzentren bieten Zeit für Gespräche, das Ritual der Totenwache oder auch die Möglichkeit der individuellen Sarggestaltung. Neue Bestattungsformen, die der Persönlichkeit des Verstorbenen Rechnung tragen, gewinnen an Bedeutung. Es wächst das Bedürfnis, Trauerfeier und Begräbnis unabhängig von Vorschriften oder Regeln zu gestalten und dabei alte Rituale wieder aufleben zu lassen.
Auch die Rituale anderer Kulturen sind möglich. Dieser Trend zur Individualisierung ist bei der Gestaltung des Grabes, des Grabsteins und bei der Wahl der Lieblingsblumen des Verstorbenen zu erkennen. In diesem Zusammenhang rückt auch der Symbolcharakter von Pflanzen wieder stärker in das Bewusstsein.

Artikel vom 28.10.2006