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»Das ist ein langfristiges Projekt«: Rainer Wend.

Wend will Witwenrente kürzen

SPD-Abgeordneter: Mit sozialen Einschnitten Frauenerwerbsquote anheben

Von Dirk Schröder
Bielefeld/Berlin (WB). Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Wend, will mit sozialen Einschnitten die Erwerbsquote von Frauen in Deutschland anheben. Der Bielefelder Abgeordnete stieß mit diesem Vorstoß gestern auf wenig Gegenliebe in seiner Partei.

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil appellierte an »jeden einzelnen Politiker« in der Regierungskoalition, die Bürger angesichts der Umsetzung schwieriger Reformen nicht durch »überflüssige Debatten« zu verunsichern.
Gegenüber der »Westdeutschen Allgemeinen Zeitung« hatte Wend sich dafür ausgesprochen, dass künftige Witwen weniger Witwenrente erhalten sollen. Gegenwärtige Witwenrenten sollten nicht angetastet werden, die Kürzung soll für junge Jahrengänge von einem bestimmten Stichtag an gelten. Außerdem stellte der SPD-Politiker die beitragsfreie Mitversicherung von Ehefrauen in der gesetzlichen Krankenversicherung in Frage.
Im Gespräch mit dieser Zeitung machte Wend gestern ausdrücklich klar, dies seien keine aktuellen Überlegungen. Langfristig müssten diese Ideen aber Eingang in die Programmdiskussion der SPD finden. Für diese Legislaturperiode seien die politischen Weichen für Rente und Krankenversicherung gestellt. Die Vorschläge könnten frühestens nach 2009 angegangen werden. Als drittes gehört für Wend auch die Abschaffung des Ehegattensplittings zu diesen Überlegungen.
Indirekt sorgen diese Sozialleistungen nach Wends Auffassung für die niedrige Frauenerwerbsquote in Deutschland. Die genannten drei Vergünstigungen hätten dazu beigetragen, dass »trotz überdurchschnittlich guter Schul- und Berufsbildung bei Frauen Talente brach liegen«. Das stabilisiere ein Frauen- und Familienbild, »das wir in den fünfziger Jahren hatten«. Das könne sich das Land aber nicht länger leisten.
Der SPD-Politiker verwies auf die skandinavischen Länder, die diesen Schritt bereits vollzogen hätten. Wend: »Dort ist die Frauenerwerbsquote, aber auch die Geburtenrate höher als in Deutschland.«
Zur Verwirklichung seiner Vorschläge gehört für den Bielefelder Politiker auch eine bessere Kinderbetreuung, verbunden mit einer steuerlichen Anerkennung des Haushaltes als Arbeitgeber. Wend: »In spätestens fünf Jahren fehlen Fachkräfte. Die Wirtschaft ist auf Frauen als gut ausgebildete Fachkräfte angewiesen.«
SPD-Generalsekretär Heil reagierte prompt: Bei der Gesundheitsreform sei nicht daran gedacht, die Mitversicherung der Ehefrauen abzuschaffen. Auch Spekulationen zum Thema Witwenrente seien wenig hilfreich. Heil: »Wir sind jetzt gut beraten, die Reformen umzusetzen, die in der Koalition politisch beschlossen sind - statt zusätzliche überflüssige Debatten anzuzetteln.«
Erst kürzlich hatten Politiker aus der Union Einschnitte bei der Witwenrente ins Gespräch gebracht. So sollte das Mindestalter für den Erhalt der vollen Witwenrente von derzeit 45 auf 50 oder 52 Jahre angehoben werden.
Eine derart deutliche Anhebung sei mit den Sozialdemokraten nicht zu machen, hieß es daraufhin in Expertenkreisen der SPD-Fraktion. Man könne höchstens über eine Anhebung des Mindestalters bei Witwenrenten, etwa von 45 auf 47 Jahre, nachdenken.

Artikel vom 24.08.2006