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Merkel hält am Kurs fest

»Wirtschaft hat Wende zum Besseren geschafft - große Koalition arbeitet gut«

Berlin (Reuters). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will die große Koalition unbeirrt von breiter Kritik auch aus den eigenen Reihen auf Kurs halten, hat bei ihrem ersten Auftritt nach ihrem Urlaub aber auf ein Machtwort verzichtet.Meldete sich erstmals nach der Sommerpause zu Wort: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Nach neunmonatiger Amtszeit der Koalition habe die deutsche Wirtschaft die Wende zum Besseren geschafft, betonte Merkel gestern auf einer Pressekonferenz zum Start ins zweite Halbjahr nach der parlamentarischen Sommerpause. Wie SPD-Parteichef Kurt Beck bekannte sich die CDU-Vorsitzende zum Regierungsbündnis und sprach von einer vertrauensvollen Zusammenarbeit.
Die Kanzlerin bekräftigte die Koalitionsziele, den Abbau der Arbeitslosigkeit und die Haushaltssanierung voranzutreiben sowie die umstrittenen Reformen von Gesundheitswesen und Unternehmensbesteuerung wie geplant umzusetzen. Neue Steuererhöhungen über die vorgesehene Anhebung der Mehrwertsteuer hinaus schloss sie bis 2009 aus.
Merkels Auftritt war mit Spannung erwartet worden, weil die große Koalition nach heftigen Verwerfungen im Reformstreit in den Urlaubswochen einen erheblichen Ansehensverlust in den Umfragen verzeichnet hatte. Die Kanzlerin bemühte sich auch um eine Würdigung der SPD im Regierungsbündnis. Deutschland sei nicht mehr der kranke Mann Europas. Diese Verbesserung gehe aber nur zum Teil auf die Koalition zurück, räumte sie ein. Auch das weltwirtschaftliche Umfeld, die Unternehmen und die zurückhaltende Lohnpolitik hätten ihren Anteil. Zudem hätten die unter dem Begriff Agenda 2010 bekannten Reformschritte der rot-grünen Regierung ihres Vorgängers Gerhard Schröder (SPD) Wirkung entfaltet.
Die große Koalition habe schließlich positiv auf die Wirtschaft eingewirkt etwa durch die begonnene Haushaltssanierung und das Programm zur Förderung der Wirtschaft. »Wir kommen nach meiner Überzeugung aus der Spirale der Verschuldung heraus.«
Beck sprach in Schwerin von ersten sichtbaren Erfolgen im Wirtschafts- und Arbeitsmarktbereich. Trotz der steigenden Steuereinnahmen bleibe es bei der stark umstrittenen Mehrwertsteuererhöhung zum Jahreswechsel.
Merkel verwies auf die Milliardendefizite in den Etats von Bund und Ländern: »Es besteht noch kein Anlass, Entwarnung für eine sehr prekäre Haushaltslage zu geben.« Sie sehe auch keinen Anlass, noch in dieser Wahlperiode über neue Steuererhöhungen zur Finanzierung des Gesundheitssystems zu entscheiden.
Die Kanzlerin wandte sich gegen eine dauerhafte Entlastung der Unternehmen durch die geplante Steuerreform. Das angestrebte Entlastungsvolumen von fünf Milliarden Euro gelte nur für die ersten drei Jahre nach dem Reformstart 2008. Merkel ließ offen, ob die im Koalitionsvertrag beschlossenen Änderungen beim Kündigungsschutz umgesetzt werden. Eine weiter gehende Lockerung, wie in der Union gefordert, lehnte sie ab. Im Herbst stehe die Überarbeitung der Hartz-IV-Arbeitsmarktreform an. Merkel kündigte außerdem Beratungen über die Integrationspolitik an, die überfällig seien. Hier biete die Koalition die Chance, aus Grabenkämpfen herauszukommen.
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Artikel vom 22.08.2006