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Urlauber Steinbrück steckt Schelte ein

Vorsorgen statt verreisen? Unterstützung nur aus Wirtschaft und CSU

Berlin (dpa). Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat sich mit seiner Empfehlung an die Bürger, mehr Eigenvorsorge zu betreiben und weniger Urlaub zu machen, heftige Schelte auch aus der eigenen Partei eingehandelt.
Wirtschaftsvertreter nutzten indes die Gelegenheit, ihrer Forderung nach weniger Urlaubstagen Nachdruck zu verleihen. Im Finanzministerium hieß es, von den Äußerungen des Ministers sei nichts zurückzunehmen.
Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Ludwig Stiegler, sagte, die Deutschen müssten im Schnitt zwar mehr Vorsorge betreiben. »Aber die Einkommensverwendung liegt immer noch in der Hand des Einzelnen und nicht in der Hand des Finanzministers. Daran soll sich auch nichts ändern.«
Der Vorsitzende der SPD-Nachwuchsorganisation Jusos, Björn Böhning, forderte: »Der Finanzminister sollte öffentlich 5 Jahre lang auf Urlaub verzichten und das Geld spenden.« Steinbrücks Aufruf liege »neben der Sache«, weil gerade junge Familien schon jetzt unter großem finanziellen und zeitlichem Druck stünden und daher auf Urlaube verzichteten.
Sie Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast sagte: »Erst höhere Steuern, dann steigende Beiträge, und jetzt will Steinbrück auch noch den Urlaub streichen. So eine Forderung unmittelbar zum Ende des eigenen Urlaubs ist besonders frech. Für jeden Reform-Murks von Schwarz-Rot sollen die Bürger blechen.«
FDP-Chef Guido Westerwelle sprach von »blankem Zynismus« - »erst recht von jemandem, der sich selbst Sozialdemokrat nennt«. FDP-Fraktionsvize Rainer Brüderle gab Steinbrück den Rat, auf die Mehrwertsteuererhöhung zu verzichten. Dann laufe die Wirtschaft besser, und die Menschen hätten Geld für private Vorsorge.
Das DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki warf Steinbrück ein »merkwürdiges Politikverständnis« vor. Matecki sagte, schon jetzt verzichteten Millionen Deutsche unfreiwillig auf Urlaub, weil ihnen dazu das Geld fehle.
Aus der CSU und der Wirtschaft kamen dagegen weitergehende Forderungen. Der CSU-Mittelstandspolitiker Hans Michelbach sprach sich dafür aus, Urlaubstage zu streichen statt auf Urlaubsreisen zu verzichten. Das würde die Wirtschaft von Kosten entlasten und Arbeitsplätze sicherer machen. Auch der Chef des Außenhandelsverbandes BGA, Anton Börner, sagte: »Ein Verzicht auf einige Urlaubstage wäre ein gutes Signal für das anziehende Wachstum.«
Die CDU-Mittelstandsvereinigung (MIT) in Nordrhein-Westfalen rief dazu auf, aus dem Urlaub Protest-Postkarten an Steinbrück zu schicken. Empfohlener Text: »Über meinen Urlaub entscheide ich immer noch selbst - und das hat nichts mit mangelndem Patriotismus zu tun.«

Artikel vom 19.08.2006