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Der Terrorismus erreicht Deutschland

Schneller Zugriff kann nicht über erhöhte Bedrohungslage hinwegtäuschen

Karlsruhe (dpa). Der rasche Erfolg spricht für die Professionalität der Ermittler, wirkt aber für die Bundesbürger keineswegs beruhigend.


Die Genugtuung stand Monika Harms ins Gesicht geschrieben. Nur einen Tag nach der öffentlich aufgenommenen Fahndung konnte die Generalbundesanwältin am Samstag ihren bislang größten Erfolg verkünden: die Festnahme eines mutmaßlichen Bombenlegers, der zusammen mit einem Komplizen zwei Regionalzüge nach Koblenz und Hamm in die Luft jagen wollte.
Der 21-jährige libanesische Student mit dem Vornamen Youssef Mohamad sei »definitiv« einer der Täter, sagte Harms. DNA-Spuren aus einem Trolley mit dem Sprengsatz sowie Fingerabdrücke stimmten mit den Spuren des Festgenommenen überein. Nach den Worten des Präsidenten des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, gibt es keine belastbaren Erkenntnisse, dass islamistische Hintergründe vorliegen. »Das wird ermittelt«, sagte Ziercke.
Der zweite mutmaßliche Bombenleger kommt nach Worten von Ziercke nicht aus Kiel. Er warnte davor, in der Wachsamkeit nachzulassen. »Der zweite Tatverdächtige ist noch auf freiem Fuß.« Man wisse nicht was dieser vorhabe.
Mit dem Fahndungserfolg wird eine dunkle Ahnung zur Gewissheit: Der Terrorismus ist endgültig in Deutschland angekommen. Die Sicherheitspolitiker aller Parteien betonten bisher, dass Deutschland Teil des weltweiten Gefahrenraums sei, auch wenn es keine konkreten Hinweise für Anschlagpläne gebe. Diese Einschätzung könnte sich jetzt allerdings ändern. Für den Bundesbürger könnte das heißen, dass auch er mit dem Risiko eines Terroranschlags leben muss.
Monika Harms warnt nach der jüngsten Festnahme ungewöhnlich deutlich: »Die Umstände begründen den Verdacht, dass weitere und bislang unbekannte Personen sich dauerhaft zu einer Vereinigung zusammengeschlossen haben, um schwere Gewalttaten in der Bundesrepublik Deutschland zu verüben.«
Bislang sind noch viele Fragen zum Hintergrund der misslungenen Anschläge offen. Die Ermittler zeigen sich ebenso verschlossen wie die Generalbundesanwältin. Das zunehmende Engagement der Deutschen an den Krisenherden der Welt bringt das Land fast zwangsläufig in das Visier von Terroristen. Auch die Nichtbeteiligung am Irak-Krieg bot nie eine Gewähr, von Anschlägen verschont zu bleiben. Noch bleibt aber vieles Spekulation.
Nach dem jüngsten Bericht des Verfassungsschutzes gefährden islamistische Bestrebungen weiterhin die Sicherheit Deutschlands. Wenngleich der Gefährdungsgrad deutlich hinter dem der unmittelbar an der militärischen Intervention im Irak beteiligten Staaten zurückbleibe, sei doch festzuhalten, »dass auch Deutschland in den Augen der Mudschahedin zum Lager der so genannten Kreuzzügler, zu den Helfern der USA und Israels, zählt«. Das Potenzial islamistischer Organisationen hier zu Lande gibt der Verfassungsschutz mit 32 100 Personen an.

Artikel vom 21.08.2006