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Bombenleger gefasst -
neue Anschläge befürchtet

Bundesgerichtshof erlässt Haftbefehl gegen 21-jährigen Libanesen

Karlsruhe/Kiel/Berlin (dpa). Nach der spektakulären Festnahme eines mutmaßlichen Bombenlegers in Kiel befürchten Regierung und Sicherheitsbehörden weitere Terroranschläge in Deutschland. Der 21-jährige Libanese wurde gestern in Karlsruhe dem Haftrichter vorgeführt.Foto: Reuters

»So nah war die Bedrohung noch nie«, sagte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Wochenende. Die Lage sei ungewöhnlich ernst. Die Fahndung nach dem Komplizen des am Samstagmorgen festgenommenen 21-jährigen Libanesen läuft auf Hochtouren. Der Komplize soll nicht aus Kiel kommen. Die beiden Männer sollen vor drei Wochen versucht haben, Regionalzüge nach Koblenz und Hamm mit Kofferbomben in die Luft zu sprengen. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs Karlsruhe erließ gestern Nachmittag Haftbefehl gegen den Festgenommenen.
Als Konsequenz aus den misslungenen Anschlägen forderte die Union eine Ausweitung der Videoüberwachung und die rasche Einführung der Anti-Terror-Datei. Auch der Koalitionspartner SPD und die Opposition befürworteten erweiterte Sicherheitsmaßnahmen, mahnten aber zur Verhältnismäßigkeit. Umstritten ist, wie weit die staatliche Überwachung gehen darf. Generalbundesanwältin Monika Harms äußerte den Verdacht, dass ein unbekanntes Netzwerk schwere Gewalttaten in der Bundesrepublik plane.
Der Ermittlungsrichter begründete den Haftbefehl gegen den am Samstag um 3.40 Uhr auf dem Hauptbahnhof in Kiel überwältigten Libanesen mit den Vornamen Youssef Mohamad unter anderem mit dem Verdacht der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Ihm wird zudem »versuchter Mord mit gemeingefährlichen Mitteln in einer Vielzahl von Fällen« und »versuchtes Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion« vorgeworfen. Der Tatverdacht ergebe sich aus der Auswertung von Videoaufzeichnungen verschiedener im Hauptbahnhof Köln angebrachter Überwachungskameras. »Darüber hinaus können in den ÝBombentrolleysÜ sichergestellte DNA-Spuren dem Beschuldigten zugeordnet werden.«
Bei ihren Ermittlungen war die Polizei auf Spuren in den Libanon gestoßen. In den nicht explodierten Koffern hatten sich ein arabisch beschriebener Zettel mit einer Telefonnummer im Libanon und Speisestärketüten eines libanesischen Herstellers gefunden. Der libanesische Student der Mechatronik sei »definitiv« einer der Täter, sagte Harms. Er habe sich aus seinem Wohnort Kiel absetzen wollen. Für islamistische Hintergründe gibt es derzeit nach Worten des Präsidenten des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, noch keine belastbaren Erkenntnisse.
Der Student ist laut Harms im September 2004 nach Deutschland eingereist und seit Februar 2005 in Kiel gemeldet. Im Zuge der Festnahme hatte die Polizei am Samstag den Kieler Hauptbahnhof für fast fünf Stunden gesperrt.
Die Täter waren öffentlich zur Fahndung ausgeschrieben worden. Das BKA hatte am Freitag im Kölner Hauptbahnhof aufgenommene Videoaufnahmen verbreitet. Seite 2: Leitartikel
Seite 4 : Hintergrund

Artikel vom 21.08.2006