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Romy und Lilo und
Hardy im Himmelbett

Gern trafen sich die Stars in Reinhold Hülsewedes Bar

Bielefeld (WB). »Weißt du noch - morgens Muckefuck und abends Rock'n'Roll im Fürstenhof« - unter diesem Titel hat Frank Tippelt, Redakteur bei der Unternehmensgruppe WESTFALEN-BLATT, ein Buch über die 50er Jahre in Bielefeld geschrieben. Eine Serie beleuchtet einige Kapitel dieser Zeit.

1952 beginnen zwei Gesellschaften, die konservative »Ressource« und die liberale »Eintracht«, mit dem Bau des neuen Gesellschaftshauses, in dem neben den Gesellschaftsräumen öffentliche Lokale eingerichtet werden. Schnell nach seiner Fertigstellung 1954 etabliert sich das Haus am Klosterplatz zu einer guten Adresse des Bielefelder Nachtlebens, nicht zuletzt dank des rührigen Gastronomen Reinhold Hülsewede. »Jonathan« wird der fröhliche Wirt genannt, und seine Bar »Bei Jonathan« genießt bald besten Ruf. »Jonathan« schafft es immer, Größen des Showgeschäfts nach Bielefeld zu holen. Kabarettist Werner Fink füllt hier spielend den Saal, mit Hazy Osterwald ist er eng befreundet. Sein Sextett tritt des öfteren bei »Jonathan« auf: »Hazy Osterwald nahm damals schon 6000 Mark Gage für einen Abend«, erinnert sich »Jonathans« Sohn Peter Hülsewede. Romy Schneider, Hardy Krüger und Lilo Pulver geben sich am Klosterplatz die Ehre: Die Pressekonferenzen anlässlich der zahlreichen Filmpremieren in Bielefeld finden im Gesellschaftshaus statt.
Mittelpunkt der Bar im »Jonathan« ist ein riesiges Himmelbett, im Hintergrund spielen die »Happy Fylers« Schlager für die Tanzenden. In der Bar amüsiert sich die illustre Gesellschaft bei Martini, Bacardi, Köpi und - Tuborg. Peter Hülsewede: »4 Mark kostete die Flasche, weil Tuborg damals ein sehr exotisches Bier war.« Legendär ist der Long Drink »Bado« (Bacardi und Donath-Saft), der, von Bielefelder Top-Mixern kreiert, bundesweit Auszeichnungen einheimst.
1958 übernimmt Reinhold Hülsewede die gesamte Gastronomie im Gesellschaftshaus. Die Tenne ist Bielefelds erstes Restaurant, in dem der Gast sein eigener Koch ist: »Das war ein Renner. Jeder bekam portioniert, was er wollte, und legte sich sein Filet oder seinen Reibekuchen selbst in die Pfanne«, erzählt Peter Hülsewede. Neben dem Bierlokal »Scheune« mit einer Kutsche in der Mitte des Gastraums als Blickfang ist die »Cantina Romana« im Innenhof des Gesellschaftshauses beliebter Treffpunkt der Bielefelder, die im Schatten einer riesigen Kastanie zu italienischen Mandolinenklängen speisen.
Wenige Meter vom Gesellschaftshaus entfernt zieht an der Notpfortenstraße das »Trocadero« die Besucher an. »Trocadero«-Inhaber Carl Schreiber ist ein angesehener Varietémann, der sich sehr gut in der deutschen und in der internationalen Künstlergastronomie auskennt. Das attraktive Varietéprogramm und Tanzabende sorgen aufs prächtigste für Kurzweil - noch immer schwärmen die früheren Gäste von der drehbaren Tanzfläche, die einmalig in der Region war, und den frühen Karaoke-Shows, die als »Jekami«- Abend (Jeder kann mitmachen) Kultstatus genossen. Ein ähnliches Programm wie im »Trocadero« können auch die Gäste der »Diele« in der Niedernstraße erleben, die im Erdgeschoss unter dem »Fürstenhof« liegt.
Sechs Jahre nach Kriegsende erstrahlt das »Café Europa« in neuem Glanz: Am 1. September 1951 lädt die »Kapelle Joe Bund« zur Eröffnung in das beliebte Tanzlokal ein. Sehr schnell kann das »Café Europa« mit Big-Band-Konzerten und Gästetanzturnieren an seine frühere Bedeutung anknüpfen. Und mit Kabarett: Harry Diehl-Renard, genannt »der schmunzelnde Philosoph«, lädt 1958 zu seiner täglichen Show ein.
Auszug aus dem Buch »Weißt du noch - morgens Muckefuck und abends Rock'n'Roll im Fürstenhof« (Herkules-Verlag, 11,90 Euro) von Frank Tippelt. Das Buch mit Geschichten und Anekdoten aus dem Bielefeld der 50er Jahre erscheint in diesen Tagen. Erhältlich im Buchhandel und in den WESTFALEN-BLATT-Geschäftsstellen.
Die nächste Folge der Serie lesen Sie am Samstag, 14. Oktober.

Artikel vom 11.10.2006