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Klingender Botschafter
vom Teutoburger Wald

Bielefelder Kinderchor macht die Stadt überall bekannt

Bielefeld (WB). »Weißt du noch - morgens Muckefuck und abends Rock'n'Roll im Fürstenhof« - unter diesem Titel hat Frank Tippelt, Redakteur bei der Unternehmensgruppe WESTFALEN-BLATT, ein Buch über die 50er Jahre in Bielefeld geschrieben. Eine Serie beleuchtet einige Kapitel dieser Zeit.

1957 feiert der Bielefelder Kinderchor seinen 25. Geburtstag. Im Jahre 1932 von Friedrich Oberschelp gegründet, ist der Chor mittlerweile in vielen Ländern aufgetreten und ein gefragter Gast bei Rundfunkproduktionen. »Wir waren oft beim WDR in Köln und beim Südwestfunk in Baden-Baden«, erinnert sich Hans Bunte. In der Oetkerhalle singt der Chor für Schallplattenproduktionen. »Ariola kam mehrmals zu Aufnahmen. Dann hat Herr Oberschelp unter seine Weste ein Pappschild gebunden, auf dem stand: Aussprache! Das zeigte er des öfteren, für uns war es das Achtungssignal, besonders klar zu singen.«
Neben bekannten deutschen Volks- und Kunstliedern hat der Bielefelder Kinderchor zahlreiche Schöpfungen der scherzhaft »Hauskomponisten« genannten Liedautoren Gustav Kneip, Hermann Erdlen, Wilhelm Hegel und Georg Otto Kahse im Repertoire, die heute noch gesungen werden. Mehrere Konzertreisen führen die Mitglieder des Ensembles durch Deutschland und ins Ausland: Sie sind Teilnehmer beim Musikfestival im walisischen Caernarvon und beim Internationalen Musikwettbewerb in Kerkrade, bei den Ruhrfestspielen 1956 in Recklinghausen und beim Bundessängerfest in Frankfurt. Hans Bunte: »In Frankfurt waren wir so begeistert beim Singen, dass wir uns um eineinhalb Töne nach oben schraubten. Herr Oberschelp hatte das gar nicht mehr im Griff. Aber es klang herrlich.«
Auch zu Filmproduktionen wird der Bielefelder Kinderchor eingeladen. 1950 geht es nach Bad Godesberg: »Hochzeit mit Erika« heißt der Film von Eduard von Borsody, zu dem Eduard Künneke die Musik geschrieben hat. Doch die Zeit ist knapp, Friedrich Oberschelp kann nur eines der beiden gewünschten Stücke mit den Kindern einstudieren: »Eduard Künneke wollte uns aber unbedingt für das zweite Lied haben, da haben wir es direkt am Aufnahmeort geübt. Nach gut zwei Stunden saß es«, sagt Hans Bunte.
Berühmt ist der Bielefelder Kinderchor für seine stets ausverkauften Weihnachtskonzerte in der Oetkerhalle, bei denen 250 Kinder das Haus mit ihrem Gesang erfüllen und dabei von dem Kamener Kirchenmusikdirektor Gerard Bunk an der Orgel begleitet werden. In lebhafter Erinnerung sind wohl allen ehemaligen Mitgliedern des Bielefelder Kinderchores die Schlusskonzerte in der Weihnachtszeit, die jedes Jahr für ein paar Mitglieder das persönliche Schlusskonzert sind: »Bis heute müssen die Kinder mit 18 Jahren den Chor verlassen«, sagt Hans Bunte. Neben den Weihnachtskonzerten gibt der Chor Sonderkonzerte, unter anderem für die Belegschaft von Seidensticker und die Strickerei Gehring aus Jöllenbeck; zum Dank erhalten die Kinder von Seidensticker Blusen, von Gehring einheitliche Schals. Hans Bunte: »Man darf nicht vergessen, dass die Eltern die Chorkleidung selbst gekauft haben. Da war die Weihnachtsgabe der Unternehmen eine große Hilfe.«
Am 2. September 1950 legt Friedrich Oberschelp den Grundstein zum neuen Übungshaus am Paderborner Weg (heute Furtwänglerstraße); gemeinsam mit Lehrlingen des städtischen Lehrbauhofs und vielen Eltern der Chorkinder errichtet er das Haus, in dem der Bielefelder Kinderchor 1955 eine feste Heimstatt findet. Fortan müssen die Kinder ihre Lieder nicht mehr in der Fröbelschule einstudieren.
Auszug aus dem Buch »Weißt du noch - morgens Muckefuck und abends Rock'n'Roll im Fürstenhof« (Herkules-Verlag, 11,90 Euro) von Frank Tippelt. Das Buch mit Geschichten und Anekdoten aus dem Bielefeld der 50er Jahre erscheint in diesen Tagen. Erhältlich im Buchhandel und in den WESTFALEN-BLATT-Geschäftsstellen.
Die nächste Folge der Serie lesen Sie am Mittwoch, 11. Oktober.

Artikel vom 07.10.2006