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Stanislaw Jerzy Lec

»Zu allen Zeiten gilt: Schrecklich sind die
Schwächen
der Gewalt.«

Leitartikel
Mühsame Terrorfahndung

Ungeist, der aus der
Mitte kommt


Von Rolf Dressler
Etwas hat in Deutschland besondere Tradition. Wann und wo immer sich Nicht-Linke regen, behängen linkspolitisch korrekte Meinungsführer sogar schon gemäßigt Andersdenkende mit dem Geruch rechtsextremistischer Umtriebe. Immer wieder werden pauschal Millionen von Bürgern unter den diffusen Verdacht gestellt, von »braunem Gedankengut« durchdrungen zu sein, das »in der Mitte der Gesellschaft« üppigen Nährboden finde.
Aus genau dieser Mitte der Gesellschaft aber ist nun auch unserem Land und seinen Bewohnern eine Bedrohung erwachsen, die jedes bisherige Vorstellungsvermögen weit übersteigt: der heimtückische, unvermittelt zuschlagende islamistische Terror. Verglichen damit nimmt sich die dröhnend beschworene »Gefahr von rechts« nachgerade wie ein Propaganda-Monster im Westentaschenformat aus.
Dessen ungeachtet ist es umso beachtlicher, dass die deutschen Fahndungsbehörden den ersten der beiden (mutmaßlichen) Eisenbahn-Bombenleger binnen kurzem gefasst haben. Denn sie standen unter enormem Druck sowohl rein zeitlich als auch im Blick auf die Erwartungen der Politik. Deutschlands Innenminister Wolfgang Schäuble war die außerordentliche Anspannung anzusehen. Die Genugtuung über den raschen Ermittlungserfolg wich freilich sogleich wieder großer Sorge - und der bohrenden Ungewissheit, dass bis dahin gänzlich unsichtbare »heilige Krieger« urplötzlich, wie aus dem Nichts und aus der Mitte der Gesellschaft heraus, einen womöglich verheerenden Anschlag nun auch irgendwo zwischen Dresden und Aachen, Rostock, Emden, Freiburg und Garmisch-Partenkirchen verüben könnten.
Noch immer hört und liest man ziemlich fassungslos von Politikern und Bürgern, die »den Staat« (der doch eigentlich wir alle sind) wortreich dazu ermahnen, einem »überzogenen Sicherheitsbedürfnis« (!) nicht unnötig Vorschub zu leisten. Das ist abstoßender, kaum noch zu überbietender Zynismus. Er verhöhnt all jene, die für die Wehrhaftigkeit der Demokratie eintreten, weil sie sich dem Schutz der Menschen verpflichtet fühlen.
Die endlose Blutspur des islamistischen Hass-Terrorismus müsste wahrlich längst Warnung genug sein. Zudem zeigt dessen Januskopf zunehmend erschreckende Zeichen sogar auch von innerislamischer Todfeindschaft. Siehe die Kämpfe zwischen Schiiten und Sunniten.
Sie entwickeln sich mehr und mehr zu einem fanatisch religiösen Bruderzwist. Man fällt - zum Beispiel im Irak - immer öfter mit aller Gewalt ganz gezielt übereinander her, will den Gegner am liebsten ausradieren oder ihn möglichst vollständig aus eigenen Mehrheitsregionen, -stadtteilen etc. verjagen. In der irakischen Hauptstadt Bagdad wie in ihrem Umland spiegeln sich die Auswirkungen dieser Strategie bereits in erschreckendem Ausmaß wider.
Und diese Verblendung, dieser Ungeist greift nun massiv auch auf Europa über. Alarmstufe 1.

Artikel vom 21.08.2006