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Treffpunkt mit Tradition
im »fünften Kanton«

Friedrich-Ebert-Haus wird 75 - Fest am Wochenende


Von Michael Schläger
Bielefeld (WB). Bernhard Koppmann, heute Geschäftsführer der Freien Scholle, kann sich noch gut erinnern: »Im Fichtenhof, da haben wir als Kinder die ÝFuzzyÜ-Filme geschaut.« Dass das Traditionslokal in Bielefelds fünftem Kanton nach dem Zweiten Weltkrieg zeitweise ein Kino beherbergte und dort die Filme mit dem ulkigen Western-Helden liefen, ist nahezu in Vergessenheit geraten. Bei den Feiern zum 75-jährigen Bestehen des Friedrich-Ebert-Hauses an der Heinrich-Forke-Straße und zum 15-jährigen des dortigen Stadtteiltreffs wird die alte Tradition noch einmal aufgegriffen.
Am kommenden Sonntag werden dort um 11, 12 und 13 Uhr ein Bielefeld-Film aus dem Jahr 1954 gezeigt sowie ein Film über die Freie Scholle aus dem Jahr 1974, den Rosa Rosinski, heute Leiterin des Bauernhaus-Museums, als Studentin gemeinsam mit Kommilitonen gedreht hatte.
Das Friedrich-Ebert-Haus ist ein Traditionsort in Bielefeld, ein Ort, der für die selbstbewusste Arbeiterschaft in der Stadt steht. Es ist auch eines von wenigen Beispielen der Bauhaus-Architektur in Bielefeld.
Entstanden war es durch eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme der Wohnungsbaugenossenschaft Freie Scholle in den Jahren der Weltwirtschaftskrise, die auch in Bielefeld viele erwerbslos machte. Das Gemeinschaftshaus sollte das I-Tüpfelchen der Siedlung im Bielefelder Osten sein, die vieles enthielt, was bis heute zum modernen Siedlungsbau gehört: ein Jugendheim, ein Kinderhort, Mütterberatung und Säuglingsfürsorge mit Kindergarten, ein noch immer betriebenes Waschaus sowie einen Konsum-Laden.
Den Plänen der Nationalsozialisten, dem Friedrich-Ebert-Haus den Namen von Hermann Göring zu geben, kam die Genossenschaftsversammlung zuvor, in dem sie den Stadtteiltreffpunkt kurzerhand in »Fichtenhof« umbenannte. 1984 nahm schließlich Johannes Rau, damals Ministerpräsident in NRW, die offizielle Rückbenennung in Friedrich-Ebert-Haus vor.
Doch die Gaststätte im Haus ist der »Fichtenhof« geblieben. Pächter ist seit acht Jahren Dragan Radojevic, der mit stets neuen Ideen die Kundschaft bei Laune hält. Jüngster Einfall: die erste »Gastro-Flatrate«. Essen und Getränke gibt es sonntags und montags abends zum Festpreis. Etabliert haben sich längst auch die wechselnden Buffets.
Am kommenden Wochenende richtet Radojevic im Innenhof des Ebert-Hauses einen großen Biergarten ein - so wie er schon vor 75 Jahren bestanden hat, als das Gemeinschaftshaus von vielen Bielefeldern als Sommerfrische genutzt wurde.
Gefeiert wird auch im Nachbarschaftstreff gleich nebenan. »Vor 15 Jahren war dies die erste Einrichtung dieser Art bei uns«, berichtet Koppmann. Inzwischen gibt es diesen Raum für selbst organisierte Aktivitäten der Bewohner in allen Siedlungen der Freien Scholle.

Artikel vom 18.08.2006