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LangustenkönigvomLangenhagen

Werner Bartling serviert seit 25 Jahren Fischiges in der »Kleinen Plötze«


Von Michael Diekmann
Bielefeld (WB). Den zerbeulten Südwester aus den Zwanzigern trägt er nur zu besonderen Anlässen, auf seinem Stammplatz im Lokal hockt der Gastronom allerdings jeden Abend, montags bis samstags. »Sonntag ist und bleibt Ruhetag«, betont Werner Bartling (58) und lehnt sich hinter der Theke an der Sitzecke entspannt zurück. »Kleine Plötze« heißt das urige Lokal am Langenhagen 26, wo dicht belaubte Bäume vor der Tür die Atmosphäre heimelig verdunkeln wie unter Deck eines alten Atlantikdampfers.
Vor 25 Jahren hatte Bartling, der seine gastronomische Karriere einst im elterlichen Getränkevertrieb begann und im Lebensmittelgeschäft der Mutter aushalf, mit der »Plötze« die Anker gelichtet. Aus einer Eckkneipe wurde schnell ein Lokal, in dem insbesondere Freunde fischiger Gaumenfreuden Gleichgesinnte treffen, jede Menge Seemannsgarn von der »westfälischen Landratte Bartling« hören und sich an Anekdoten laben konnten, die ihm Gäste aus aller Herren Länder wie ein Trinkgeld auf dem Silbertablett servieren. Sie glauben das nicht? Macht nichts, Bartling, der »Langustenkönig vom Langenhagen« zückt einen der Archivkästen, stöbert in Fotos und zückt Belege in Zelluloid, von Wegweisern, die selbst irgendwo im australischen Outback oder schottischen Hochland knallhart auf die »Plötze« verwiesen, viele, viele Meilen entfernt vom Teuto. Montiert haben diese Schilder typische Gäste der »Kleinen Plötze«, die seit einem Vierteljahrhundert mehr ist als nur eine ausgefallene Gaststätte mit 28 Plätzen, traumhafter Fischsuppe, knackigen Hummern, Gambas und dicht bei dicht mit fischigen Bildern zugehängten Wänden, mit Antiquitäten, Raritäten, Unikaten und lustigen bis pikant-erotischen Motiven zum Schuppengetier. Ach ja, selbst der »Playboy« hatte Bartlings Lokal schon als eines der fünf bundesweit besten Lokale in Sachen Hummer ausgewiesen. In Restaurantführern hat der Mann vom Osning ebenso die Nase vorn wie bei diversen Stars von Bühne und Film. Udo Jürgens war schon da, Gunnar Möller, Karin Dor, Peter Alexander. Die »Dubliners«, die Lieblingsband von Bartlings Sohn Konstantin, kommen regelmäßig, nachdem sie im verregneten November in Bielefeld mehrere tausend Irlandfans handfest musikalisch begeistert haben. Damals 1991, nahm Junior mit sechs Jahren Gitarrenunterricht bei Eamonn Campbell.
Werner Bartling, von Hause aus Autodidakt in Sachen Kochen, empfing seine kulinarischen Weihen unter anderem bei Chefkoch Michael Wirthgen. Für Desserts und Salate zaubert Bartlings Lebenspartnerin Ursula Schöne seit 25 Jahren in der Kombüse. Für den Service auf dem Kutter sorgt Mirco Follador. Am häufigsten werden Gambas von aller Meere Grund bestellt; portioniert wird nach Gewicht.
»Satt wird jeder«, meint Bartling lachend, bei dem Einkauf immer noch Chefsache ist und manchmal sogar Musiker zur Session nach dem Auftritt unbeschwert ein Lied anstimmen. Man kann die »Plötze« empfehlen, muss sie in erster Linie aber selbst erleben - als Gesamtkunstwerk.

Artikel vom 18.08.2006