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Löw überzeugt mit Bedacht

Drei Tore gegen Schweden helfen, das Thema Klinsmann abzuhaken

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
Gelsenkirchen (WB). Joachim Löw hat sich schnell von Jürgen Klinsmann abgenabelt. »Das Thema ist abgeschlossen«, sagt der Bundestrainer, der im Augenblick trotzdem noch neuer Bundestrainer genannt wird. Vielleicht wird das auch beim mächsten Mal noch der Fall sein, danach nicht mehr.

Der Deutsche Fußball-Bund muss sich auch nicht sorgen, dass Löw demnächst Telefonquittungen einreicht, auf denen zahllose Verbindungen nach Kalifornien vermerkt sind. Gespräche führten sie als Partner, doch nun ist der 46 Jahre alte Fußball-Lehrer dabei, sich von seinem in die Vereinigten Staaten zurückgekehrten Vorgänger vollständig zu emanzipieren.
Den Bedarf, mit seinem einstigen Chef zu reden, schränkt das erheblich ein. Löw hat erzählt, er habe nur einmal seit der Weltmeisterschaft mit Klinsmann telefoniert, und da sei es noch nicht einmal um Fußball gegangen. Hätte ja auch nichts genützt, sein Freund privatisiert wieder und will auch gar nicht mehr mitreden. Oder reinreden. Außerdem herrscht in der Nationalmannschaft das volle Vertrauen in den natürlichen Erbfolger. Löw ist kein Laie und war nie nur ein Lakai. »Er hat schon bei der WM viel gemacht. Jetzt muss er alles machen«, sagt Miroslav Klose.
Der Bremer Torjäger beteiligte sich in Gelsenkirchen maßgeblich daran, den Einstand des Bundestrainers zumindest für eine Halbzeit so wirken zu lassen, als sei die Weltmeisterschaft in diesem Land nie abgepfiffen worden. Der Werder-Mann traf in der 8. und 44. Minute, aus dem Schneider waren die DFB-Auswahl und ihr Chefcoach beim munteren Premierenball aber schon nach 200 Sekunden. So fix brachte der Leverkusener Bernd Schneider mit seinem zweiten Länderspieltor das erste Lächeln von Löw hervor.
Alles ähnelte dem Achtelfinale von München, als die Deutschen ebenfalls einen Blitzstart hinlegten. »Wir haben den Schwung der WM mitgenommen«, lobte der Trainer das hohe Engagement seiner Mannschaft, an dem es künftig auch unter seiner Regie nicht mangeln soll. Die Einstimmung geschieht sicher etwas bedächtiger beim Badener, kam allerdings bei den Spielern trotzdem bestens an. Auch Klose hat die Ansprache vor dem Anpfiff gefallen: »Jogi hat das sehr gut gemacht. Nicht so mit dem Elan wie Klinsmann, aber es ist ja auch keine Weltmeisterschaft mehr.« Das stimmt, wenngleich es im Wirbel der ersten 45 Minuten nach furioser Fortsetzung der Sommer-Festspiele aussah.
Manuel Friedrich stand beim WM-Turnier auf der Reserveliste. Der Mainzer bekam jedoch auch im Bereitschaftsdienst genug mit von der Atmosphäre, um sie auch jetzt noch spüren zu können. Der Länderspiel-Debütant empfand die Stimmung in Gelsenkirchen als Verlockung. Und als Verheißung für die Zukunft: »Die Euphorie ist immer noch da. Ich hoffe, sie bleibt bis zur EM 2008 und bis zur WM 2010 und dass wir dann endlich Weltmeister werden.« Das ist doch mal eine klare Ansage.
So gut wie jetzt scheint es der Nationalmannschaft jedenfalls schon lange nicht mehr gegangen zu sein. Der schwedische Trainer Lars Lagerbäck hält sie für eine »der besten in der Welt«. Ein feines Kompliment, das sich Deutschland in der vergangenen Wochen erwarb. Bestätigt werden muss das immer wieder aufs Neue. Die EM-Qualifikation wird dabei ganz bestimmt nicht so spaßig-spielerisch zu meistern sein wie das ungleiche Duell mit den schwachbrüstigen Schweden.
»Das wird hart«, warnt Löw, der von Klinsmann zwar den Job, nicht aber die Ausgangsposition übernahm: Bei der WM durften die Deutschen sich noch als Außenseiter fühlen. Das ist nun vorbei.

Artikel vom 18.08.2006