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Dr. Hartmut Fahnenstich ist Geragoge und Fachtherapeut für Hirnleistungstraining. Foto: EKE

Sudoku hält das
Gehirn in Schwung

Aber schützt das Zahlenrätsel auch vor Alzheimer?

Ein einfaches Spiel mit 81 Kästchen, in denen man Zahlen unterbringen muss, hat eine unvorstellbare Rätselleidenschaft in Deutschland ausgelöst: Sudoku. Der Begriff kommt aus dem Japanischen und bedeutet soviel wie »Zahl, die allein steht«.
Denn jede Ziffer von eins bis neun muss einmal und darf auch nur einmal in jeder senkrechten Spalte, jeder waagerechten Reihe sowie in Einzelquadraten - bestehend aus drei mal drei Kästchen - enthalten sein. Einige Zahlen sind vorgegeben - sie bestimmen den Schwierigkeitsgrad. In fast jeder Zeitschrift findet man heute diese Denksportaufgaben und viele Verlage bieten Sudoku-Rätselbücher an. Vermehrt liest man in letzter Zeit auch Empfehlungen, die besagen, dass regelmäßiges Sudoku-Lösen als Gehirnjogging und Schutz vor Alzheimer ideal sei. Aber ist das wirklich so?
»Ständige geistige Anforderungen sind der beste Weg, ein funktionierendes Gedächtnis zu behalten«, sagt Dr. Hartmut Fahnenstich, Fachtherapeut für Hirnleistungstraining in der zum Elisabeth-Krankenhaus Essen gehörenden Memory-Clinic. »Stellen Sie sich das Gehirn vor wie einen Muskel. Wenn Sie einen Muskel vernachlässigen, ist er nicht mehr in der Lage, seine volle Leistung zu erbringen. Genauso ist es beim Gehirn.« In den Verzweigungen des Gehirns verrichten rund 15 Milliarden Nervenzellen ihre Steuerungs- und Denkarbeit. Die so genannten Synapsen verbinden die Nervenzellen untereinander.
Durch elektrische Signale und chemische Reaktionen werden auf diese Weise Abermilliarden von Daten verwaltet und Informationen ausgetauscht. »Immer, wenn wir etwas lernen und geistig gefordert werden, bilden sich Verknüpfungen zwischen den Nervenzellen«, erklärt Fahnenstich. »Je häufiger sich also das Gehirn mit neuen Aufgaben beschäftigen muss, desto mehr Verknüpfungen entstehen. Werden schon in jungen Jahren sehr viele Synapsen gebildet, ist dies auch für unsere kognitiven Fähigkeiten im Alter hilfreich.«
Nervenverbindungen im Hirn, die nicht genutzt werden, lösen sich allerdings wieder auf. Wer seinen Denkapparat nicht regelmäßig fordert, muss also damit rechnen, dass die Leistungsfähigkeit abnimmt. Um das Hirn in Schwung zu halten, sind Denksportaufgaben wie Sudoku durchaus geeignet. »Der Vorteil des Spiels: Bei Sudoku ist Logik gefragt. Immer neue Strategien und Lösungswege lassen sich finden. Man kann durch ein Ausschluss-Verfahren die freien Felder besetzen oder durch kombinieren. So fördert Sudoku die Denkflexibilität und die Kombinationsgabe und ist somit für unser Gehirn effektiver als beispielsweise ein Kreuzworträtsel, bei dem lediglich bereits vorhandenes Halbwissen abgefragt wird«, so der Fachtherapeut für Hirnleistungstraining.
Den größten Effekt für die Hirnleistungsfähigkeit hat ein Spiel wie Sudoku vor allem bei Spieleinsteigern. Wer bereits alle Varianten beherrscht und Schweregrade meistern kann, bei dem hat das Lösen eines Rätsels nicht mehr so einen positiven Effekt. »Nur neue Herausforderungen fördern die Bildung neuer Synapsen«, erläutert Fahnenstich. »Bei Aufgaben, die denen gleichen, die wir kennen und oft verrichten, benutzt unser Gehirn die bereits eingetretenen Trampelpfade.« Aber für all diejenigen, für die ein Standard-Sudoku keine Herausforderung mehr ist, gibt es ja bereits neue und schwierigere Varianten mit fantastischen Namen wie Toroidal, Irregular Extravaganza, Pandigital oder Pips. Und absoluten Cracks sei das Killer-Sudoku empfohlen, bei dem keine einzige Zahl mehr vorgegeben ist - lediglich die Quersummen für zusammenhängende Felder.
Aber auch wenn Sudoku die geistige Beweglichkeit steigert, sieht Fahnenstich darin keinen Schutz vor Alzheimer. »Bei dieser Krankheit entstehen im Gehirn Eiweißablagerungen, die offenbar die Impulsweiterleitung - also die Kommunikation der Nervenzellen untereinander - behindern. Im Laufe der Zeit sterben dann die Nervenzellen ab, die für Gedächtnis, Sprache und Denkfähigkeit notwendig sind«, konstatiert der Experte aus Essen. »Morbus Alzheimer ist eine ernstzunehmende Erkrankung, der man leider nicht mit Denksportaufgaben wie Sudoku beikommen kann.« EKE

Artikel vom 06.10.2006