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Ärzte an kommunalen Kliniken erhalten eigenen Tarifvertrag

Marburger Bund: »Ein Meilenstein« - Arbeitgeber: »Kein guter Tag«

Düsseldorf (dpa). Nach fast achtwöchigem Streik gibt es erstmals einen eigenen Tarifvertrag für die etwa 70 000 Ärzte an den kommunalen Krankenhäusern in Deutschland.
Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB) und die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) einigten sich gestern in Düsseldorf auf Gehaltserhöhungen und Verbesserungen beim Arbeitsschutz. »Es war ein langer, harter, steiniger Weg«, sagte der Verhandlungsführer der Ärzte, Lutz Hammerschlag.
Nach Angaben der VKA steigen die Gehälter der Ärzte im Vergleich zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst um zehn bis 13 Prozent.
Die Gehaltsspanne reicht künftig von 3420 Euro im Monat für einen Arzt in der niedrigsten Einkommensstufe bis zu 6500 Euro für einen leitenden Oberarzt. Die Ärzte in den neuen Bundesländern erhalten zunächst 95,5 Prozent dieses Entgelts, vom 1. Juli 2007 an 97,0 Prozent.
Der Marburger Bund wählte als Vergleichsmaßstab den Abschluss, den die Arbeitgeber am 1. August mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi abgeschlossen hatten. Ein Facharzt verdiene im Schnitt vier Prozent mehr als beim Verdi-Abschluss, ein Assistenzarzt durchschnittlich über drei Prozent mehr. Der Marburger Bund habe zudem eine bessere Bezahlung der Bereitschaftsdienste durchsetzen können, sagte Hammerschlag. Auch bei den Arbeitszeiten gebe es Verbesserungen. So dürften die Ärzte künftig nur noch maximal 18 Stunden am Stück arbeiten.
Der Vorsitzende des Marburger Bundes, Frank Ulrich Montgomery, hat den Tarifabschluss als »Meilenstein« bezeichnet. »Erstmals ist es gelungen, einen arztspezifischen Tarifvertrag in der Fläche zu verankern«, betonte Montgomery. Damit sei die »Diktatur« der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi beendet.
Der Abschluss sei zwar »kein Grund zu überschwänglichem Jubel«, die Ärzte könnten aber zufrieden sein, sagte der MB-Vorsitzende. VKA-Verhandlungsführer Otto Foit (Geschäftsführer Herz- und Diabeteszentrum Bad Oeynhausen) sagte, es sei »kein wirklich guter Tag« für die Kliniken. »Der uns aufgezwungene Kompromiss wird für manche Klinik die Existenzfrage verschärfen«. Die Mehrkosten von 500 Millionen Euro im Jahr müssten durch Rationalisierungen wieder eingespart werden. »Dies bedeutet einen spürbaren Abbau der medizinischen und pflegerischen Qualität«.
Das Volumen des Abschlusses liegt nach Angaben von Foit unter dem Tarifvertrag, den der Marburger Bund für die Universitätskliniken und Landeskrankenhäuser abgeschlossen hat.
Hammerschlag betonte dagegen, die Gehaltstabelle liege »unter dem Strich« auf dem Niveau des Abschlusses für die Unikliniken.
Gestern streikten nach Gewerkschaftsangaben nochmals 16 600 Mediziner an 160 Kliniken in acht Bundesländern. In den vergangenen knapp zwei Monaten hatten fast täglich Ärzte an kommunalen Kliniken die Arbeit niedergelegt, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.
In Deutschland gibt es etwa 700 kommunale Krankenhäuser.
Seite 4: Kommentar

Artikel vom 18.08.2006