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Blümchenkissen bringt das große Glück

Die Ehrlichkeit der Frührentnerin Hannelore Raudies (45) wird mit 5 220,29 Euro belohnt

Von Markus Poch (Text und Fotos)
Sennestadt (WB). Mit 200 Euro Haushaltsgeld im Monat kann niemand große Sprünge machen. Das geht Hannelore Raudies aus Sennestadt nicht anders. Deshalb hätte die 45-jährige Frührentnerin aus Sennestadt am Freitag am liebsten ein Freudentänzchen aufgeführt, denn seit dem 18. August, 12.30 Uhr, ist sie um exakt 5 220,29 Euro reicher. Sechs Monate nach einem sehr speziellen Geldfund, den sie bei der Polizei gemeldet hatte, wurde jetzt die Ehrlichkeit der Sennestädterin deutlich und verdientermaßen belohnt.

Es ging ursprünglich um 10 210 D-Mark in alten, stark strapazierten Banknoten. Die fand Hannelore Raudies im Februar 2006 unverhofft in einem dunkelbraunen, mit roten und gelben Blümchen besetzten Häkelkissen, das sie vor sage und schreibe 19 Jahren von einer inzwischen verstorbenen Nachbarin geschenkt bekommen hatte. Ihre Verblüffung und ihr Rechtsempfinden veranlassten sie damals sofort dazu, die Polizei zu verständigen. Die nahm den Fall auf und behandelte ihn wie eine gewöhnliche Fundsache. Die Banknoten lagerten also unter Verschluss sechs Monate lang im Sennestädter Fundbüro. Da sich bis Freitag niemand meldete, der Ansprüche auf die Summe hatte, durfte sich Hannelore Raudies ihren Fund abholen. Und das fiel ihr gar nicht so leicht.
»Schon um 4.50 Uhr konnte ich nicht mehr schlafen«, berichtet die 45-Jährige. »Vor Aufregung habe ich den ganzen Morgen ferngesehen und nicht einmal gefrühstückt.« Dann brach sie auf zum Fundbüro, Sennestadthaus, Zimmer 313. Sachbearbeiterin Eva Pape wartete schon mit einem dicken Briefumschlag. Darin steckten ein Sicherstellungsprotokoll der Polizei-Inspektion Süd und das viele, alte Geld - 96 Scheine zu 100 Mark, elf zu 50 Mark und drei zu 20 Mark. »Sonst haben wir hier Uhren, Handys, Schlüssel, mal ein Fahrrad oder eine Geldbörse mit 100 Euro«, erklärt Eva Pape in Richtung der ehrlichen Finderin. »So eine wertvolle Fundsache gab es bei uns noch nie. Gehen Sie bitte sparsam damit um!«
Hannelore Raudies leistete indes sorgfältig ihre Unterschrift und nickte. Sie wusste längst, welche Anschaffungen in ihrer 40-Quadratmeter-Wohnung unterm Dach dringend erforderlich waren. Doch zunächst ging es weiter zur Landeszentralbank nach Bielefeld-Mitte. Am kleinen »Hochsicherheitsschalter« an der Kavalleriestraße, um 12.30 Uhr, machte die Sennestädterin aus den historischen Scheinen gültiges Bargeld, und zwar stolze 5 220,29 Euro, darunter zehn Scheine à 500 Euro. Die hatte sie so aus der Nähe noch nie gesehen. Auch passten sie kaum in ihr kleines Portemonnaie. Den Großteil der Summe zahlte sie sofort wieder auf ein Haushalts- und ein Girokonto ein.
Ausgestattet mit einem ordentlichen Taschengeld, fuhr sie dann weiter zu einem Einrichtungshaus. Das blau-graue Schlafsofa mit den gestreiften Kissen hatte sie schon vor Tagen im Werbeprospekt markiert. Dazu orderte sie einen Kleiderschrank, eine Kommode und einen Küchentisch mit vier Stühlen - und bezahlte »natürlich« in bar. Wenn alles läuft wie geplant, dann kommen in den nächsten Tagen die Maler, so dass ihre kleine Wohnung, die sie in 19 Jahren aus Kostengründen kaum einmal richtig renovieren konnte, bereits in frischen Farben erstrahlt, wenn Anfang September die neuen Möbel angeliefert werden. »Das meiste von dem alten Kram fliegt raus«, sagt Hannelore Raudies. »Das waren sowieso Gebrauchtmöbel.«
Eines allerdings fliegt garantiert nicht raus: das Häkelkissen mit den roten und gelben Blümchen. »Nachdem ich damals das Geld entnommen hatte, habe ich es wieder zugenäht«, sagt die Sennestädterin. »Nein, das Kissen bleibt hier bei mir und bekommt einen Ehrenplatz.« Einen guten Platz will sie sich auch sichern, sobald Stefanie Hertel und Stefan Mross, ihre Lieblingsstars der Volksmusik, mal zu einem Gastspiel im Raum Bielefeld sind. Und sollte im Januar 2011 noch Findergeld übrig sein, schmeißt Hannelore Raudies definitiv eine große Party zu ihrem 50. Geburtstag.

Artikel vom 19.08.2006