18.08.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Wie Widukind zum Mythos wird

Neu gestaltetes Museum inszeniert das Nachwirken des Sachsenherzogs

Von Dietmar Kemper
Enger (WB). Waffengeklirr versetzt die Besucher des für 2,1 Millionen Euro renovierten und inhaltlich neu gestalteten Widukind-Museums in Enger (Kreis Herford) in die Zeit der Sachsenkriege zwischen 772 und 804.
Der Hammer von Gott Thor (9. Jahrhundert).

Es sei der »langwierigste, grausamste und für die Franken anstrengendste Krieg« gewesen, berichtete der Chronist Einhard in seiner Biografie über Karl den Großen. Der Frankenherrscher war der Gegenspieler des Sachsenherzogs Widukind, dessen Leben und Nachleben sich das Museum auf 426 Quadratmetern und mit 50 Exponaten widmet. »Wie stellt man einen Menschen aus, über den man eigentlich nichts weiß?«, fragte gestern Leiterin Regine Krull bei der Vorbesichtigung und machte damit deutlich, dass der Mythos Widukind besser zu fassen ist als dessen Biografie.
In den fränkischen Quellen aus der Zeit von 777 bis 785 werde von seinem vergeblichen Kampf gegen Karl berichtet und von seinem erzwungenen Übertritt zum Christentum bei der Taufe in Attigny. Die so genannte Taufschale von Widukind ist in Enger nur durch eine Nachbildung vertreten, wird aber im April durch das Original aus dem Kunstgewerbemuseum in Berlin ersetzt. Nach dem Übertritt zum Christentum verschwinde Widukind im Dunkel der Geschichte, und ob er wirklich in der Stiftskirche in Enger begraben liegt, werde sich wohl nie beweisen lassen, sagte Krull.
Das Nachwirken spielt in der Ausstellung die Hauptrolle. »Als bedeutenden Krieger und wohltätigen Christen sah ihn das Mittelalter, die Adelshäuser der frühen Neuzeit machten aus ihm einen bedeutenden Stammvater«, berichtete Krull. Künstler des 19. Jahrhunderts hätten Widukind als charismatischen Helden dargestellt, die Nazis ihn für ihre Ideologie von »Rassereinheit« und »Volksgemeinschaft« vereinnahmt.
Auf den Spuren Widukinds erwandern die mit einem Audio-Guide ausgestatteten Besucher elf Themenräume: In ihnen wird in Form von Texten, Exponaten und Inszenierungen über die Sachsenkriege, Götterglauben, die bedeutenden mittelalterlichen Funde im Enger Stiftsschatz und die 1974 entdeckten drei Gräber in der Stiftskirche informiert. Geschichtsinteressierte nehmen in einem Chorgestühl Platz, schauen sich Historienbilder an und sind mitten drin im »Knochenkrimi«. In einem Labor erleben sie mit, wie historische DNA analysiert wird.
Weil es ein großes Interesse am Mittelalter gebe, glaubt Krull, von der zeitgleich stattfindenden Canossa-Ausstellung in Paderborn Besucher abzweigen zu können. Das Widukind-Musuem in Enger wird am Sonntag von 11 bis 18 Uhr mit einem Fest eingeweiht. Anschließend ist es dienstags bis samstags von 15 bis 18 Uhr und sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Erwachsene zahlen drei Euro Eintritt, Jugendliche einen Euro.

Artikel vom 18.08.2006