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Marktkauf: 1000 Jobs in Gefahr

Sanierer Schelo: Der Schuss muss sitzen - »Markt 1« öffnet in Bielefeld neu

Von Michael Diekmann
Bielefeld (WB). Die Situation ist dramatisch: Während das Marktkauf SB-Warenhaus Nummer 1 in Bielefeld am 5. September in neuem Glanz und neuen Dimensionen an neuem Standort eröffnet wird, läutet Arbeitsdirektor Stephan Schelo in der Sennestädter Zentrale die Alarmglocken. Die Kosten bei Marktkauf sind »massiv zu hoch«, 1000 Vollzeitstellen sollen gestrichen werden.

Wer die Endphase des Neubaus in Bielefeld vor Ort erlebt, bekommt einen Eindruck von der Gratwanderung, auf der sich der einstige Handelsprimus und heutige 100-Prozent-Edeka-Spross derzeit befindet. Das Haus Nummer 1, die Wiege des SB-Warenhaus-Unternehmens Marktkauf, als Konsum- und Coop-Nachfolger und nicht selten als »Kaderschmiede« späterer Führungskräfte bezeichnet, steht vor der »Erneuerung«. Doppelte Verkaufsfläche, 40 neue Arbeitsplätze, ein Leergut-Pilotprojekt und 2000 Bio-Artikel stehen für die Zukunft. Die Belegschaft schuftet täglich zwölf Stunden, die Stimmung ist angespannt.
»Angst geht um an der Fuggerstraße«, sagt eine Beschäftigte der Marktkauf-Zentrale in Bielefeld. Gut 1100 Menschen arbeiten dort noch (es waren einmal mehr als 2000), zitiert werden möchte niemand, jeder bangt um seinen Job, seit Arbeitsdirektor Schelo, als »Sanierer« seit Juni im Amt, vergangenen Freitag bei einer Betriebsversammlung der Marktkauf-IT erstmals die Gerüchteküche mit handfesten Zutaten gewürzt hat. Fest steht: Die 1000 Stellen, die zur Disposition stehen, sind realistisch. Während die Streichung von zwei Vollstellen pro Handelsstandort (180 Lebensmittelmärkte/150 Baumärkte) laut Experten in der ohnehin schon »entpersonalisierten« Fläche kaum Wirkung zeigen dürfte, bedrückt der Plan um so mehr, etwa 400 Stellen in Verwaltung und Logistik zu streichen. Betroffen sind Marktkauf Holding GmbH und die eigenständigen Töchter »IT/EDV«, Zentralverwaltung sowie die Logistik. Ein Sozialplan soll bis Ende September verhandelt sein.
»Erst sanieren, dann verkaufen« gilt für das größte Sorgenkind, die 150 Baumärkte. Das Ergebnis war 2005 auf ein Minus von 35,1 Millionen Euro eingebrochen. Während erheblicher Stellenabbau im Teilzeitsektor sicher ist, mehren sich in Sachen Verkauf höchstens Spekulationen. Interessenten Fehlanzeige. Am 5. September tagt der Aufsichtsrat.
Stephan Schelo hat die Messlatte der Restrukturierung extrem hoch gelegt. Zitat: »Der Schuss muss sitzen«. Gegensteuern sofort ist angesagt. Weil ein Umsatzplus von zehn Prozent oder eine generelle Preissteigerung um drei Prozent völlig unrealistisch sind (beides ergäbe eine schwarze Null), sieht Schelo als einziges Mittel, die Kosten um ein Drittel zu senken. Man könne, wird er zitiert, in den Märkten gar nicht verdienen, was die Zentrale koste. Schelo spricht von Doppelarbeiten durch zwei IT-Systeme, verlangt einen neuen Non-Food-Bereich, neues Discount-Preisniveau und eine optische Überarbeitung. Auf den Prüfstand fordert er zudem wissentliche Höhergruppierungen im Tarifsystem, wolle man die Kosten in den Griff bekommen und erfolgreich das Ruder herumreißen. Was jetzt zu tun sei, versichert Schelo, habe sich bei Marktkauf nicht erst in den letzten Wochen ergeben. Am 30. September spricht er vor den 420 Mitarbeitern der Marktkauf Holding.

Artikel vom 17.08.2006