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Schleuser kassierten Kopfgeld

Menschenhandel in Eisdielen - Hauptbeschuldigter legt Geständnis ab

Von Ernst-Wilhelm Pape
Bielefeld (WB). Im bundesweiten Fall von Menschenhandel und illegaler Beschäftigung in italienischen Eisdielen hat ein Hauptbeschuldigter ein Geständnis abgelegt.

Einer der vier mutmaßlichen Chefs einer italienisch-rumänischen Schleuserbande habe die ihm vorgeworfenen Straftaten eingeräumt, sagte Oberstaatsanwalt Burkhard Dannewald von der federführenden Staatsanwaltschaft Bielefeld gestern dieser Zeitung. Die drei anderen Beschuldigten würden nach wie vor schweigen. Alle vier sitzen in Untersuchungshaft. Insgesamt werde gegen mehr als 40 Personen ermittelt. Derzeit könne noch nicht gesagt werden, wie viele Eisdielen in den Menschenhandel verstrickt seien. Es sei nicht auszuschließen, dass es zu weiteren Durchsuchungen komme. Bei einer Razzia am 6. August waren 110 Eiscafés, Wohnunterkünfte und Büros in 55 Städten durchsucht worden. In Ostwestfalen-Lippe waren Eisdielen in Minden, Salzkotten und Rheda-Wiedenbrück betroffen.
Die mutmaßlichen Hauptverdächtigen waren wenige Minuten vor der bundesweiten Durchsuchungsaktion festgenommen worden. Es handelt sich um zwei 46 Jahre alte Italiener, eine 27-jährige Rumänin sowie einen 41 Jahre alten Rumänen. Ihnen wird nach Angaben der Staatsanwaltschaft banden- und gewerbsmäßige Einschleusung von Menschen vor allem aus Rumänien, anderen Nicht-EU-Ländern sowie Südamerika, Menschenhandel und die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen.
Die Bande soll mehrere tausend Arbeitskräfte, in erster Linie Frauen, illegal nach Deutschland gebracht haben. Bei der Zahl der Illegalen gebe es eine hohe Dunkeziffer, sagte Dannewald. In Deutschland wurden die Frauen zu Hungerlöhnen in Eisdielen aber auch als Reinigungs- und Haushaltshilfen eingesetzt.
Bei der Razzia waren 30 illegale Arbeitskräfte gefasst worden. Ferner seien Beschäftige ermittelt worden, die vermutlich mit Schwarzgeld bezahlt wurden. Ein Teil der Illegalen sei bereits vernommen und abgeschoben worden, sagte Dannewald.
In Rumänien seien die Frauen von der Mutter der inhaftierten 27-jährigen Rumänin angeworben und von Bandenmitgliedern mit den Auto nach Deutschland gebracht worden. Pro Person sei von den Eisdielenbetreibern ein Kopfgeld von 150 bis 200 Euro an den Fahrer gezahlt worden. Ferner habe die Bande monatlich eine Provision von 100 bis 150 Euro pro Person erhalten. Derzeit werde geprüft, ob auch in Rumänien Ermittlungen eingeleitet werden müssten. Ferner bestehe der Verdacht, dass die Bande die Frauen mit gefälschten italienischen Pässen versorgt habe. Die Dokumente seien vermutlich in einer Gemeindeverwaltung in Italien gestohlen worden, sagte Dannewald.

Artikel vom 17.08.2006