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Gesundheit belastet Haushalte

Praxisgebühr ohne Effekt -- »Capital«: Ärzteeinkommen steigen weiter

Berlin (dpa). Die Privathaushalte schultern einen immer größeren Milliardenanteil der wachsenden Gesundheitskosten in Deutschland.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts stiegen die Gesundheitsausgaben binnen zehn Jahren um 25 Prozent auf 234 Milliarden Euro. Das entspreche ungefähr der Höhe des Bundeshaushaltes, sagte Amtspräsident Johann Hahlen in Berlin. Bei der Finanzierung des Gesundheitswesens insgesamt, also unter anderem mit Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Investitionen, stieg der Anteil von Privathaushalten und Wohlfahrtsverbänden von 42 Prozent 1995 auf 47 Prozent 2004 an.
Die Belastung der Arbeitgeber sank dagegen von 40 auf 36 Prozent, der Anteil der öffentlichen Haushalte um einen Punkt auf 17 Prozent. Diese Finanzmittel summierten sich 2004 bei der Finanzierung des Gesundheitswesens auf 313 Milliarden Euro. Neben den Beiträgen belasten unter anderem Zuzahlungen und Praxisgebühren sowie nicht von den Kassen erstattete Medikamente die Privathaushalte.
Bei den reinen Gesundheitsausgaben gab es nach Angaben von Hahlen binnen zehn Jahren ein Ausgabenplus um 19 Prozent bei den ärztlichen Leistungen, um 23 Prozent bei pflegerischen und therapeutischen Maßnahmen und um 37 Prozent bei den Arzneimitteln.
Nach den Krankenkassen wollen auch die Krankenhäuser gegen die Gesundheitsreform der Bundesregierung mobil machen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) kündigte gestern eine bundesweite Kampagne an, die am 5. September in der Hauptstadt starten soll. Im Vordergrund der »Transparenzoffensive« stünden eine flächendeckende Plakataktion sowie Informationsveranstaltungen mit »Entscheidungsträgern vor Ort« Mit der Kampagne wollen die Kliniken ihren Druck auf die Politik erhöhen. Sie fordern die Rücknahme der nach ihren Angaben 750 Millionen Euro pro Jahr umfassenden Budgetkürzung, eine Refinanzierung von Personalmehrkosten durch den Bund sowie eine erneute Diskussion über den geplanten Gesundheitsfonds.
Die Einführung der Praxisgebühr hat nach einer aktuellen Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung nicht zu einer Kostendämpfung im Gesundheitswesen beigetragen. Die Versicherten gingen offenbar nicht seltener zum Arzt als zuvor. Die Praxisgebühr führe nur zu einer zeitlichen Verlagerung der Arztbesuche, stellten die Forscher fest. Einsparungen wären dagegen von einer Gebühr bei jedem Arztbesuch zu erwarten, die dann jedoch geringer ausfallen müsse, schlugen die Forscher vor.
Die Einkommen der Kassen-Ärzte sind entgegen den Behauptungen ihrer Lobbyisten weiter gestiegen. Wie das Wirtschaftsmagazin »Capital« berichtet, erhöhte sich der Umsatz je Kassenarzt nach den noch unveröffentlichten Daten des Statistischen Bundesamtes von 1998 bis 2003 um 8,1 Prozent und dessen Reinertrag um 11,9 Prozent. Spitzenreiter sind die Radiologen, deren Praxen im Schnitt nach Abzug aller Kosten einen Reinertrag von 209 000 Euro erzielten. Auf Platz zwei folgen die Orthopäden mit 160 000 Euro. Allgemeinärzte erwirtschafteten im Jahr 104 000 Euro.
Im Streit um die Schulden einzelner Krankenkassen hat ein Treffen der AOK-Spitzen bei Gesundheitsstaatssekretär Klaus Theo Schröder gestern keine Lösung gebracht. Ein kompletter Schuldenabbau wird nach Angaben des Vorsitzenden des AOK- Bundesverbands, Hans Jürgen Ahrens, nicht wie von der Koalition gefordert bis zum geplanten Start des Gesundheitsfonds 2008 zu erreichen sein. Der Fonds soll den Koalitionsplänen zufolge erst nach einem kompletten Schuldenabbau starten. »Dann kommt der Fonds eben später«, sagte Ahrens. Vom Ministerium habe es keine Lösungsvorschläge gegeben. Im Bereich der AOK habe es Ende 2005 noch Schulden von 2,7 Milliarden Euro gegeben. Verrechnet mit Überschüssen seien es 1,7 Milliarden Euro.

Artikel vom 17.08.2006