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Energie wächst auf dem Acker

Immer mehr Landwirte und Spediteure nutzen Preisvorteil von Rapsöl

Von Bernhard Hertlein
Paderborn/Bielefeld (WB). »Der Gebrauch von Pflanzenöl als Kraftstoff mag heute unbedeutend sein. Aber derartige Produkte können ebenso wichtig werden wie Petroleum und diese Kohle-Teer-Produkte von heute«, sagte Rudolf Diesel vor knapp 100 Jahren. Er betrieb seinen Verbrennungsmotor statt mit »Diesel« mit Pflanzenöl.

Mehrere Bauern auch in Ostwestfalen bauen auf eine Renaissance des alternativen Treibstoffs. Der Preisvorteil - 0,67 Euro je Liter Pflanzenöl statt 1,15 für herkömmlichen Diesel - spricht eine klare Sprache. Vermarktet wird der aus Raps gewonnene Kraftstoff anders als der konkurrierende Biodiesel »direkt ab Hof«. Kunden sind vor allem der eigene Berufsstand und Spediteure.
»Aber auch für Privatkunden rechnet sich eine Umrüstung, wenn sie mit ihrem Auto öfter längere Strecken unterwegs sind«, erklärt Rainer Wessels, Junglandwirt auf dem früheren Rickshof im Dorf Dahl bei Paderborn. Bei Materialkosten von 150 Euro koste die Pkw-Umrüstung in einer Vertragswerkstatt insgesamt knapp 1000 Euro. Wer sich jetzt entschließe, profitiere mindestens noch bis 2008 von dem kompletten Wegfall der Mineralölsteuer.
In diesem Punkt unterscheidet der Gesetzgeber zwischen Pflanzenöl-Kraftstoff und dem Biodiesel. Letzter, eine Mischung aus Rapsöl und Alkohol, kam zuletzt negativ ins Gerede, als Experten aus der Industrie eine negative Schadstoffbilanz errechneten. Seit 1. August wird Biodiesel deshalb mit 9 Cent je Liter besteuert -Êein Betrag, der bis 2012 schrittweise auf 45 Cent erhöht werden soll. Pflanzenöl hingegen wird auf jeden Fall bis 2008 komplett und danach weiterhin teilweise von der Mineralölsteuer befreit sein.
Wessels, der heute auf einem Viertel seiner 100 Hektar Ackerfläche Raps anbaut, begann sich vor einem Herbst auf Grund von Artikeln in der Fachpresse für das Thema Alternative Kraftstoffe zu interessieren. Mit 15 000 Euro waren die Investitionen überschaubar. Außer Öl entsteht bei der Produktion »Rapskuchen« und damit ein energiereicher Soja-Ersatz für die Schweinefütterung.
»Sehen Sie«, sagt Wessels und deutet auf eine Flasche mit Rapsöl, »auch nach vier Monaten setzt sich nichts ab.« Wenige Negativmeldungen über Motorschäden verhalfen dem alternativen Kraftstoff nicht gerade zu einem Idealstart. Nach Ansicht der betroffenen Landwirte sind diese Berichte jedoch teils falsch, teils übertrieben. Nichts desto trotz wird besonderer Wert auf absolute Reinheit gelegt. Die Bielefelder Nebenerwerbsbauern Bernd Speckmann und Karl-Ludwig Meyer zu Stieghorst ließen ihre größere, 40 000 Euro teure Anlage deshalb gerade erst zertifizieren. Wer dem Rapsöl trotzdem noch nicht 100prozentig vertraut, kann auch sparen, wenn er den alternativen Treibstoff nur teilweise zuspritzt.
»In Süddeutschland«, sagt Wessels, »setzen schon mehr Fahrer auf Pflanzenöl.« Möglich, dass also demnächst auch in OWL Landwirte auf ihrem Hof eine Zapfsäule für Privatkunden einrichten. Derzeit ist den meisten diese Investition noch zu hoch. Verkauft wird in Kanistern und Containern. Die Nachfrage steigt. Und sollte es trotzdem ein Mal ein Überangebot geben? Speckmann experimentiert bereits mit Rapsprodukten als Zusatzstoff zur Energieerzeugung mit Holzpellets oder Hackschnitzeln. Und wenn auch das nicht geht? Mit ein paar zusätzlichen Euros für die Lebensmittelsicherheit ließe sich das Rapsöl auch an die Hausfrau verkaufen.

Artikel vom 16.08.2006