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General Manfred Eisele

»Es gibt eine Atempause, aber keine längerfristige Stabilisierung im Nahen Osten.«

Leitartikel
Abenteuer Libanon

Im nächsten Nahost-Krieg
mittendrin


Von Reinhard Brockmann
Nach 38 Jahren sind erstmals wieder reguläre libanesische Truppen in den Südteil des eigenen Landes vorgerückt. Allein diese Tatsache beschreibt die absurde Lage dort, die mit unserem Verständnis von Staatlichkeit nicht zu fassen ist.
Wenn jetzt die erweiterte Friedenstruppe der Vereinten Nationen, an der sich Deutschland beteiligen wird, mit einem »robustes Mandat« eingreifen wird, dürfen wir getrost davon ausgehen, dass mit dieser Wortwahl das Verkleistern der wahren Verhältnisse weitergeht.
Das Abenteuer Libanon ist weit gefährlicher und stärker vom Scheitern bedroht, als das die Truppenstellerstaaten bei der UNO in New York und vor ihren nationalen Parlamenten darstellen. Denn: Die neue Resolution ist nicht besser als die alte, solange nicht mit brachialer Gewalt gegen die Milizen vorgegangen wird.
Die libanesische Armee und die erweiterte UN-Friedenstruppe Unifil sollen in den Südlibanon einrücken, während Israel abzieht. Die heikle Abfolge des Vor- und Abrückens verlangt ein hohes Maß an Abstimmung mit den Israelis, mehr noch mit der Hisbollah, die eine unberechenbare Guerilla ist.
Die Hisbollah hat es ganz offen abgelehnt, sich aus dem Südlibanon zurückzuziehen. Auch der von allen im Weltsicherheitsrat geforderten Entwaffnung will sie sich widersetzen. Wenn genau dies aber nicht gelingt, ist die Mission gescheitert. Niemand wird das zugeben. Stattdessen werden alle Truppensteller in den nächsten Nahostkonflikt hineingezogen.
Außerdem: Israel will einen neuen Krieg, wenn die Unifil die schiitischen Extremisten nicht unter Kontrolle bekommt. In Jerusalem heißt das: »Wiedereinmarsch nicht ausgeschlossen«.
Die libanesische Regierung hat gemäß UN-Resolution 1701 insgesamt 15 000 Soldaten in den Süden zu schicken. Der Marschbefehl für die schlecht ausgerüsteten Soldaten ist seit gestern bekannt. Über einen Rückzug der Hisbollah-Landsleute oder gar deren Entwaffnung steht in diesem Papier nicht ein Wort.
Man darf es ruhig noch einmal wiederholen: Die Hisbollah hat erklärt, ihre Kämpfer im Süden zu belassen. Die Untergrundkämpfer tragen keine Uniformen, haben noch nie etwas von der Haager Landkriegsordnung gehört und halten ihre Waffen versteckt. Unmögliche Bedingungen für einen Militäreinsatz. Schon hat Frankreich als Führungsmacht der UN-Truppen widerspenstig erklärt, eine gewaltsame Entwaffnung der Hisbollah sei nicht seine Aufgabe.
Ist der politische Ertrag es wert, das Leben von deutschen Soldaten zu riskieren? Das fragen nicht nur Vertreter der Soldatenverbände. Nichts ist schlimmer für eine Truppe, die einen klaren Auftrag braucht, als wenn ihr Marschbefehl dilettantisch und blauäugig gefasst ist.
Die allergrößte Gefahr: Mit der Präsenz westlicher Bodentruppen im Libanon können Iran und Syrien jederzeit am Spannungsregler drehen.

Artikel vom 18.08.2006