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»Unverschämt, fahrlässig«

Finke greift Rybarczyk an - Gellhaus wollte auch weg

Von Matthias Reichstein
Paderborn (WB). Über mehr als fünf Stunden hatten Wilfried Finke und Jos Luhukay seit Samstag ihre Argumente ausgetauscht, am Ende blieb der Trainer des SC Paderborn 07 bei seinem Rücktritt.

Und dem Präsidenten zumindest die Erkenntnis: »Jos Luhukay hat einen anderen Blickwinkel für meine Entscheidungen bekommen. Das habe ich gespürt, das hat er mir auch bestätigt.« Warum sich der 43-Jährige trotzdem nicht zum Rücktritt vom Rücktritt bewegen ließ, konnte auch Finke nur vermuten: »Ich glaube, in diesem Fall steht Luhukay seine absolute Gradlinigkeit im Weg.«
Seit Samstag hatte der 55-jährigen Vereinsboss nach dem Auslöser für die »gewaltige Reaktion des Trainers« gesucht, in der Person des ebenfalls zurück getretenen Sportlichen Leiters Günther Rybarczyk scheint er den gefunden zu haben. »Der Herr aus Bayern hat mich nachweislich ins offene Messer laufen lassen«, wurde Finke gestern deutlich.
Die Paderborner Kontaktaufnahme zum VfL Bochum, um den Brasilianer Edu zu verpflichten, und die Spielerbeobachtungsreise von Co-Trainer Markus Gellhaus sowie Geschäftsführer Michael Born nach Albanien (hier stand Nationalstürmer Hamdi Salihi auf der SCP-Liste) waren für Luhukay die entscheidenden Punkte, die zum Vertrauensbruch führten. Dazu Finke: »Herr Rybarczyk wusste, dass der Trainer gegen diese Reise war und als vertrauensbildendes Argument vor der Mannschaft die Saisonplanung längst als abgeschlossen erklärt hatte. Nur ein Hinweis, und ich hätte das ganze Unternehmen sofort gestoppt.«
Als »grob fahrlässig und unverschämt« wertet Finke, dass Rybarczyk seit Mittwochabend von den Rücktrittsabsichten des Chefcoaches gewusst haben soll, ohne tätig zu werden: »Bis Freitagmittag war Rybarczyk nicht in der Lage, wenigstens ein Vorstandsmitglied oder den Geschäftsführer davon in Kenntnis zu setzen. Das ist im höchsten Maße pflichtverletzend und untragbar.«
Der SCP besteht bei Luhukay weiterhin auf Erfüllung des Vertrages und forderte den Coach gestern schriftlich auf, heute wieder das Training zu leiten. Damit rechnet ernsthaft allerdings niemand, deshalb wurde Markus Gellhaus beauftragt, weiter mit der Mannschaft zu arbeiten. Der bot gestern Abend dem SCP-Präsidium allerdings ebenfalls seinen Rücktritt an. Das lehnte der Klub ab und bat Gellhaus, die Mannschaft in den kommenden drei Pflichtspielen (FC Augsburg, 1. FC Kaiserslautern, DFB-Pokalspiel beim FC Magdeburg) als verantwortlicher Mann auf der Bank zu betreuen. »Ich stelle mich dieser Verantwortung, weil ich mich dem Verein und den Spielern verpflichtet fühle«, sagte Gellhaus. Danach könnte der Fußballlehrer den Klub verlassen. Ob der 36-Jährige von diesem Optionsrecht dann auch tatsächlich Gebrauch machen wird, ließ er am Abend noch offen.

Artikel vom 16.08.2006