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20 Jahre gequält
und ausgebeutet

Martyrium eines 70-Jährigen beendet

Köln (dpa). Nach fast 20 Jahren Quälerei, Ausbeutung und Misshandlung ist ein 70-jähriger Kölner aus der Gewalt seiner Peiniger befreit worden. Das Martyrium endete mit der Festnahme eines 55-Jährigen und seiner 30 Jahre alten Tochter.

Die Polizei sprach von einem »an Menschenverachtung kaum zu überbietenden Vorfall«. Dem körperbehinderten Mann sei unter Gewaltanwendung seit zwei Jahrzehnten die Rente abgenommen worden. Seit April 2005 sei der stark unterernährte und schwer verstörte Mann in Leverkusen in einem Raum eingesperrt gewesen, in dem nur eine Matratze lag.
Dass die Qualen für den 70-jährigen »völlig gebrochenen Mann« nun endlich beendet werden konnten, ist zwei Kindern des Täters aus zweiter Ehe zu verdanken. Der 25 Jahre alte Sohn und die 27 Jahre alte Tochter hatten nach ihrem furchtbaren Verdacht vor wenigen Tagen Alarm geschlagen.
Als sich der Rentner beim Bezirksamt meldete, um seinen Rentenscheck abzuholen, warteten die beiden Geschwister und die Betreuerin des 70-Jährigen, denen der Senior dann endlich seine Notlage mitteilte. Sein 55-jähriger Peiniger und dessen mutmaßliche Komplizin - seine 30 Jahre alte Tochter aus erster Ehe - warteten auf ihr Opfer und den Scheck und wurden dort festgenommen.
Die beiden Verdächtigen machten zunächst keine Angaben zu den Vorwürfen. Unklar ist laut Polizeisprecher auch, warum die Betreuerin des Rentners nichts bemerkt hatte. »Wir müssen die Betreuerin als wichtige Zeugin befragen und auch klären, ob sie etwas hätte merken müssen«, sagte ein Polizeisprecher. Die beiden Verdächtigen gaben ihrem Opfer offenbar nur sporadisch zu essen. Der Mann habe keine Unterwäsche besessen. Seine Notdurft musste er in seinem Zimmer verrichten. Entsprechende Behälter seien bei der Wohnungsdurchsuchung gefunden worden.
Der Senior war wegen seines schlechten Allgemeinzustandes zunächst nicht in der Lage, genaue Angaben zu machen. Er werde nun in einer Wohnung in Köln umfassend betreut, sagte der Polizeisprecher.
Nach seinen ersten Aussagen wurde er geschlagen, gedemütigt und gegen seinen Willen unter die Dusche gestellt, wenn er seine Rente nicht abgeben wollte. Er habe seit zwei Jahrzehnten seine Rentenschecks umgehend bei der Bank einlösen müssen, das Bargeld wurde ihm abgenommen.
Das Opfer war den beiden Kindern des mutmaßlichen Täters aus Kindertagen aus der Nachbarschaft bekannt. Bereits vor einem Jahr hatten die beiden beim Besuch ihres Vaters festgestellt, dass dieser den früheren alten Bekannten offenbar gegen dessen Willen in einem Raum festhielt. Jetzt handelte das Geschwisterpaar.

Artikel vom 16.08.2006