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Prinzen auf Zechtour:
Skandal oder alter Hut?

»Sun« zeigt William und Harry als »Die Saufbrüder«

London (dpa). Prinz Williams Augen sind weit aufgerissen., die von Harry zugekniffen. Beide grinsen den Lesern der auflagenstärksten Boulevardzeitung Großbritanniens von einer Doppelseite in seeliger Umarmung entgegen. Balkenüberschrift: »THE BOOZE BROTHERS« (Die Saufbrüder). Neuer Skandal am britischen Hof oder doch nur ein alter Hut?

Noch schärfer ist das Titelfoto der »Sun«: Prinz Harry fasst einer Blondine an den Busen. William schwenkt im Hintergrund ein Glas. Alle drei scheinen schwer betrunken zu sein. Die Bilder entstanden nach Angaben der Zeitung bei einer Sommernachtsparty im Londoner Szene-Club »Boujis«.
Später meldete allerdings die Abendzeitung »Evening Standard«, die Fotos seien bereits drei Jahre alt. Eine Sprecherin der ebenfalls abgebildeten Natalie Pinkham (28), Ex-Freundin von Harry, sagte dem Blatt, die Bilder seien vom September 2003 und stammten aus einem anderen Club. Sie seien »verschlossen und verriegelt« aufbewahrt worden und niemals für den öffentlichen Gebrauch bestimmt gewesen.
Ob alt oder neu, Gesprächsstoff bilden die Aufnahmen der Prinzen in jedem Fall. Und längst nicht alle Briten sind schockiert. So merkt der »Sun«-Hofberichterstatter an, dass sich die Mehrheit der Briten 1997 nach dem Unfalltod von Prinzessin Diana gewünscht habe, ihre Söhne mögen wie normale Jungen heranwachsen und nicht in einem »Goldenen Käfig« eingesperrt sein. »Unsere Bilder zeigen, dass dieser Wunsch in Erfüllung gegangen ist.«
Wie sehr in Großbritannien ungebremster Alkoholgenuss zur gesellschaftlichen Realität gehört, machte rein zufällig am selben Tag die Veröffentlichung einer Untersuchung der medizinischen Notdienste des Landes deutlich: Heutzutage werden im Königreich Rettungswagen mehr als doppelt so oft zu »Alkoholleichen« gerufen als noch in den 90er Jahren.
Wie es aussieht, lag Ex-Alkoholiker Tony Booth, Schwiegervater des britischen Premierministers Tony Blair, mit seiner Einschätzung richtig. »Wir sind keine Leute mit Mittelmeer-Gepflogenheiten, die glücklich sind, in einem Bistro ein oder zwei Gläser Rotwein zu trinken. Wir trinken auf primitivere, Furcht erregende angelsächsische Art. Wir trinken, um besoffen zu werden.«
Die Reihe prominenter Zecher ist entsprechend lang. Sie umfasst so bekannte Namen wie Ronnie Wood von den Rolling Stones oder den Fußballer George Best. Der starb im vergangenen November an Leberversagen. Hingegen bietet die Geschichte des britischen Königshauses ein herausragendes Beispiel dafür, dass man bei richtiger Dosierung auch mit einer Vorliebe für Drinks lange leben kann: Queen Mum, Mutter von Königin Elizabeth II. und Urgroßmutter von William und Harry, hatte bekanntermaßen eine Schwäche für Gin-Tonic - und wurde 101 Jahre alt.

Artikel vom 16.08.2006