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Ohne Opfer kein Urteil
wegen Vergewaltigung

Zeugenaussage vor Landgericht verweigert


Bielefeld (uko). »Mit zwei blauen Augen«, so der bissige Kommentar von Rechtsanwalt Mirko Roßkamp, ist der Bielefelder Roman M. um den Vorwurf der Vergewaltigung herumgekommen. Der 48-jährige Alkoholiker wurde nur wegen Beischlafs mit Verwandten zu zwei Jahren Bewährungsstrafe verurteilt.
Selten verhandelte ein Gericht einen solchen Fall wie die 2. Große Strafkammer am Donnerstag: Roman M. hatte 2005 in Gelsenkirchen gewohnt, als plötzlich seine erwachsene Tochter Sina (Name der jungen Frau geändert) in der Tür stand. Er habe sich über das Wiedersehen sehr gefreut, zumal er über Jahre hinweg vergeblich den Kontakt zu seiner Tochter gesucht habe. Nur wenige Tage später nutzte der Arbeiter die Abwesenheit seiner Lebensgefährtin, um mit seiner Tochter intim zu werden. Dabei soll er, so Staatsanwältin Nina Sommerfeld, das Geständnis der Tochter, sie sei vom Stiefvater vergewaltigt, als Druckmittel gentutzt haben.
Fünf weitere Fälle des Beischlafs wiederholten sich in ganz kurzen Abständen von Mai bis Juli 2005. Zwischenzeitlich waren Vater und Tochter nach Bielefeld gezogen. Überdies war der Vater zwei Mal handgreiflich geworden und hatte Sina verprüelt. - Roman M. ließ gestern diese Körperverletzungen zugeben, die Vergewaltigungen bestritt er durch eine Erklärung seines Rechtsanwalts. Indes sei es zu dem Intimverhältnis »einvernehmlich« und »ohne Gewaltanwendung« gekommen.
Widerspruch fand diese obskure Aussage nicht, denn die einzige Belastungszeugin hatte Wochen vor dem Prozeß angekündigt, sie wolle nicht als Zeugin gehört werden. Sechs angeklagte Fälle der Vergewaltigung wurden daher gestern eingestellt. Für Mirko Roßkamp, der für die Tochter trotz allem die Nebenklage vertrat, blieb ein schaler Nachgeschmack. »So etwas Abstoßendes« habe er selten erlebt. Roman M. habe die Wehrlosigkeit seiner Tochter ausgenutzt, die in der Folge psychisch erkrankt sei und auch noch einige Suizidversuche verübt hatte.
Ein weiteres Schlaglicht auf die Gesinnung des Angeklagten warf obendrein der Blick auf die Liste der Vorstrafen: Neben 19 anderen Verurteilungen ragte da ein Urteil des Amtsgerichts Meschede heraus, das dem 48-Jährigen 1995 eine nur zweijährige Bewährungsstrafe wegen der Vergewaltigung seiner damals erst 13 Jahre jungen Nichte aufbrummte. Diese Verurteilung konnten die Richter dem Mann gestern jedoch nicht »einschlägig« zur Last legen, da die angeklagten Vergewaltigungen ja eingestellt worden waren. - Roman M. durfte daher den Gerichtssaal als freier Mann verlassen.

Artikel vom 17.08.2006