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Steinmeier sagt Syrien-Reise ab

Nach Rede des syrischen Präsidenten - Bundeswehr in den Nahen Osten

Tel Aviv/Damaskus/Berlin (dpa/Reuters). Die Waffenruhe im Nahen Osten hat gestern trotz kleinerer Zwischenfälle weiter gehalten. Allerdings gab es einen diplomatischen Eklat.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte seinen geplanten Besuch in Damaskus kurzfristig ab, nachdem der syrische Präsident Baschar al-Assad in einer Rede den »siegreichen Widerstand« der radikal-islamischen Hisbollah im Libanon gerühmt und Israel als »Feind« bezeichnet hatte.
Steinmeier, der sich zu Gesprächen in der jordanischen Hauptstadt Amman aufhielt, sagte seinen geplanten Besuch in Damaskus kurz vor dem Abflug ab. Die Rede Al-Assads sei ein negativer Beitrag, der den Herausforderungen im Nahen Osten in keiner Weise gerecht werde, begründete Steinmeier seinen Schritt.
Al-Assad forderte die arabischen Herrscher dazu auf, den Widerstand gegen Israel zu unterstützten. Damit würden die Staatsoberhäupter den Menschen in der arabischen Welt folgen, die zum Großteil jetzt schon hinter der Hisbollah und anderen Widerstandsgruppen stünden, sagte Al-Assad in Damaskus. »Denjenigen, die Syrien vorwerfen, es unterstütze die Hisbollah, sagen wir, dass dies für uns eine große Ehre ist und ein Orden an der Brust jedes Arabers.«
Unterdessen bereitete sich die reguläre libanesische Armee nach Ende der Kämpfe auf eine Stationierung von 15 000 Mann im Süden des Landes vor, während die israelischen Streitkräfte weitere Soldaten aus dem Nachbarland zurückzogen. Die Verlegung der libanesischen Einheiten könne »innerhalb von Tagen« erfolgen, erklärte gestern ein Armee-Sprecher, dem zweiten Tag der Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah-Miliz. Die libanesischen Soldaten sollen zusammen mit bis zu 15 000 UN-Blauhelmen nach einem Abzug der Israelis den bisher von der Hisbollah kontrollierten Südlibanon sichern. Das israelische Militär bestätigte einen Zusammenstoß im Südlibanon, bei dem eigene Soldaten drei oder vier mutmaßliche Hisbollah-Kämpfer töteten.
In Tel Aviv machte eine Militärsprecherin deutlich, dass die israelischen Truppen den Südlibanon nicht vor Eintreffen der Stabilisierungstruppen verlassen wollen. »Einige Truppenteile werden abgezogen, andere bleiben«, sagte sie. Israelische Medien berichteten unter Berufung auf Militärquellen, dass sich die Streitkräfte zunächst auf eine Linie von fünf bis sieben Kilometern innerhalb des Südlibanons zurückziehen wollen. Die Linie entspricht dem Frontverlauf, den das israelische Militär in der Frühphase des 33-tägigen Waffengangs eingerichtet hatte.
Deutschland wird sich erstmals mit Soldaten an einer UN-Friedensmission im Nahen Osten beteiligen. Diskutiert werde nur noch Art und Umfang des Engagements, wurde gestern aus Regierungskreisen bestätigt. Die Grundsatzentscheidung, sich nach der UNO-Resolution an der Nahost-Mission zu beteiligen, sei bereits getroffen.
Heute kommt die Koalitionsspitze zu Beratungen über die deutsche Beteiligung zusammen. Teilnehmen werden nach Informationen aus Koalitionskreisen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), SPD-Chef Kurt Beck, Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) und CSU-Chef Edmund Stoiber.
Die Hauptbedenken zahlreicher Politiker bestehen im Einsatz von Kampftruppen an der Grenze zwischen Libanon und Israel. Dies berge die Gefahr einer Konfrontation zwischen deutschen und israelischen Soldaten, wird argumentiert. Bei dem Bundeswehr-Einsatz soll das Schwergewicht offenbar auf der Marine liegen. Sie ist im Rahmen der NATO-Operation »Active Endeavour« bereits mit Einheiten im Mittelmeer. Diese könnten, so hieß es, bei der Seeüberwachung vor den Küsten Libanons und Israels durch eine Fregatte ergänzt werden, um Waffenlieferungen an die Hisbollah zu verhindern. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 16.08.2006