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Zeitungslesermeinung über Deutschlands
Meinungsführer, 1981

»Der Kampf für das Unwohlsein der Allgemeinheit ist ihr Hobby.«

Leitartikel
Grass, Nobelpreis, Waffen-SS

Reißender Absatz garantiert


Von Rolf Dressler
Günter Grass, bewundert, belobigt und bis in höchste Ruhmesränge seiner Zunft hinaufdekoriert, hat nun also noch einmal ein spätes Buch geschrieben. Allerdings eines, das nicht nur nach Meinung seines Verfassers ganz und gar aus jedem Rahmen fällt.
Denn fürwahr, dieses Gras(s)- Wurzel-Werk mit dem Titel »Beim Häuten der Zwiebel« schlägt sprichwörtlich dem Fass den Boden aus. Denn sage und schreibe sechs Jahrzehnte lang schwieg der aus Danzig gebürtige »Blechtrommler« und angebliche Flakhelfer der deutschen Wehrmacht sich eisern darüber aus, dass er in Wahrheit einst in der Hitlerschen und Himmlerschen Waffen-SS gedient hatte - als blutjunger 17- jähriger 1944/45 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges.
Warum um des Himmels willen aber rückt dieser Mann erst nach unfassbaren 61 Jahren mit dem heraus, was, wie er kundtut, jetzt plötzlich »raus muss«? Mag sein, dass der innere Druck allmählich doch übermächtig geworden war. Irgendwann hält der Mensch ihm eben doch nicht mehr stand.
Aber halt, stand nicht gerade auch Günter Grass im Nachkriegsdeutschland stets und ständig in jener deutsch-typischen Intellektuellen-Phalanx, die der Erlebensgeneration wie den Nachgeborenen fortwährend den Marsch der linkspolitisch korrekten Vergangenheitsbewältigung blies? War nicht gerade auch Grass immer ganz vorn mit dabei, wenn die vereinigten Gesinnungsaufseher und Weltanschauungskontrolleure dem Volk unerbittlich streng die eigene, angeblich einzig wahre (Um-)Denkrichtung aufdrücken wollten?
Wie im Jahre 1999, als Schriftsteller-Kollege Martin Walser nach seiner unbequemen Dankesrede in der Frankfurter Paulskirche als erklärter Feind der Demokratie ge- brandmarkt und sogar aufgefordert wurde, den Friedenspreis des deutschen Buchhandels unverzüglich zurückzugeben. Walser knickte nicht ein. Schließlich hatte er klipp und klar gesagt: »Jeder kennt unsere geschichtliche Last, die unvergängliche Schande. Kein zurechnungsfähiger Mensch leugnet Auschwitz.«
Schon lange zuvor indes hätte Günter Grass seine Zeit in der Waffen-SS redlicherweise bekennen müssen. Etwa als Bundeskanzler Helmut Kohl und US-Präsident Ronald Reagan 1985 den Friedhof in Bitburg besuchten, wo auch 49 Soldaten der Waffen-SS begraben liegen. Grass tat es nicht, er stimmte in den Proteststurm gegen das Gedenken ein.
Wiederholt verdingte er sich als SPD-Wahlkämpfer, einst für Willy Brandt und unlängst noch für Gerhard Schröder. Und um das Maß voll zu machen, schlug er Land und Leuten seinerzeit, 1989/90, um die Ohren, die deutsche Wiedervereinigung werde geradewegs ein »zweites Auschwitz« heraufbeschwören.
Günter Grass - ein Meister des Totschweigens. Schäbig und würdelos, gemessen am eigenen Anspruch. Ein Waffen-SS-Mann als Nobelpreisträger.
Doch auch das neue Grass-Werk wird bestimmt ein Renner.

Artikel vom 15.08.2006