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Aachen verzichtet
auf Bäder-Prädikat

Erfolg mit orthopädischen Kuren und Edel-Wellness

Von Thomas Albertsen
Aachen (WB). In jeder Aufzählung deutscher Städte steht Aachen an erster Stelle -Êdiesen Werbeeffekt schätzt man in der Stadt Karls des Großen ungleich höher ein als das Bäder-Prädikat.

Das hat Aachen übrigens auch mit Wiesbaden und Kassel gemeinsam: Diese drei deutschen Großstädte sind anerkannte Heilbäder, führen den Titel jedoch nicht im Namen. Dennoch -Êes gibt den Namen »Bad Aachen« durchaus, er wird für die Kurgebiete in der Innenstadt und im Ortsteil Burtscheid verwendet. Und Aachen sieht sich durchaus als ebenbürtiger Partner im europäischen Kur-Dreiländereck, zu dem noch das belgische Spa-Francorchamp und das niederländische Valkenburg gehören.
Aachen verweist stolz auf die lange Reihe prominenter Kurgäste, die besonders wegen der segensreichen Wirkung des Heilwassers kamen. Albrecht Dürer gehört ebenso zu ihnen wie Peter der Große, Giacomo Casanova und Georg Friedrich Händel. Auch der Dichter Heinrich Heine war zu Gast in Aachen -Êaber weil er sich so abfällig über die Stadt äußerte, ist er in der Ehrentafel der prominentesten Kurgäste am Trinkbrunnen nicht verzeichnet.
Dort am Rande der Fußgängerzone, nur einen Steinwurf vom Dom entfernt, tritt die heißeste Quelle Zentraleuropas zutage. Aus 4000 Metern Tiefe gelangt das Wasser ohne Pumpvorrichtung an die Oberfläche und ist dort noch immer 74 Grad heiß. Es riecht leicht nach Schwefelwasserstoff - und es schmeckt nach Ei: gewöhnungsbedürftig, aber nicht unangenehm. Dieses Wasser hatte in früheren Jahrhunderten eine wichrtige Funktion im Gesundheitswesen: Es hielt die Nebenwirkungen von quecksilber- und arsenhaltigen Medikamenten zur Bekämpfung der Syphilis in Grenzen, weil es zur verstärkten Ausscheidung der Metalle beitrug.
Die leicht abführende Wirkung wird heute im Kurbetrieb nicht mehr eingesetzt, die drei Kliniken im Ortsteil Burtscheid nutzen das Thermalwasser gleichwohl für Bäder und Wassergymnastik.
Therapiert werden dort fast ausschließlich Patienten, die nach Operationen zur Anschlussheilbehandlung geschickt wurden. »Aachen hat alles richtig gemacht«, sagt Detlef Hambücker, Geschäftsführer des Schwertbades. »Wir haben uns auf die medizinische Rehabilitation spezialisiert, statt offene Badekuren durch Wellness zu verwässern.« So werden im Schwertbad die Schwerpunkte auf Orthopädie und degenerative rheumatische Erkrankungen gelegt, in der Rheumaklinik wird vorwiegend chronische Polyarthritis behandelt, die Klinik Rosenquelle setzt auf Orthopädie und Innere Medizin. Alle drei Häuser werden von Organisationen der Katholischen Kirche getragen und bieten zusammen etwa 400 Arbeitsplätze.
Wellness ist für die Aachener dennoch kein Fremdwort. Nur wenige Schritte von der Innenstadt entfernt, befindet sich ein großer Kurgarten, begrenzt von einem Grandhotel mit Kongresszentrum und dem historischen Spielcasino, welches sich im Inneren ganz modern gibt und mit einigen echten Kunstwerken von Andy Warhol und Salvador Dali glänzen kann.
Die Hauptattraktion ist jedoch die Carolus-Therme. Das ruhige Haus ist alles andere als ein Spaßbad, richtet sich an Erwachsene und bietet neben dem Schwimmbereich auch eine orientalische Saunalandschaft und drei Restaurants. Der hohe Einheits-Eintrittspreis sorgt dafür, dass gezielt ein erholungssuchendes Publikum angesprochen wird und Kinder draußen bleiben. Für Familien gibt es im Vorort Würselen ein passendes Angebot.
Mit diesem Konzept liegt die Carolus-Therme goldrichtig und schafft es, den laufenden Betrieb durch die Einnahmen zu decken. Einen Zuschuss zahlt die Stadt Aachen allerdings für die Kreditzinsen. Die Therme hat überregional einen so guten Ruf, dass etliche Hotels mittlerweile Pauschalangebote geschnürt haben, Übernachtung und Wellness gemeinsam anbieten.
Der Tourismus in Aachen profitiert von dem konsequent ausgerichteten Angebot. 150 000 Kur- und Wellnessgäste kamen 2005 in die Stadt am Dreiländereck. 180 000 Besucher interessierten sich vornehmlich für die Sehenswürdigkeiten und Aachens internationales Reitturnier, 50 000 Jugendliche und kirchliche Besucher wurden rund um den Dom gezählt. Dazu kamen 420 000 Tagungsbesucher und Gäste der ortsansässigen Wirtschaft. Immerhin ein Drittel der Besucher kommt aus dem Ausland - und im Winter setzt der Weihnachtsmarkt einen ganz eigenen Akzent. Dann verstopfen allerdings auch bis zu 5000 Busse die historische Innenstadt.

Artikel vom 18.08.2006