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Ehefrau kostete
Kurden 10 000 Euro

Dreifacher Verdacht der Scheinehe

Von Uwe Koch
Bielefeld (WB). Gleich drei Angeklagte türkischer Herkunft müssen sich derzeit vor dem Amtsgericht Bielefeld wegen einer Scheinehe verantworten. Amtsrichter Wolfgang Heimann wird den kuriosen Fall - Anklagevorwurf: Verstoß gegen das Ausländergesetz - an drei Tagen verhandeln. Zum Prozessauftakt am Montag wurde eine der Frauen ausgerechnet von der eigenen Mutter auf das Schwerste belastet.

Im Dezember 2001 war der Kurde Sinan Y. (28) nach Deutschland eingereist. Sein Asylantrag, den er in Bielefeld stellte, wurde nach kurzer Zeit abgelehnt. Y. lebte seinerzeit schon in Sachsen, wo er sich aufzuhalten hatte. Von dort klagte er gegen den ablehnenden Bescheid des Ausländeramtes Bielefeld.
Über Verwandte habe er die in Bielefeld wohnende Deutsche Nesrin A. (25) kennen- und liebengelernt, behauptete der Kurde vor dem Amtsgericht. Am 22. August 2002 hatten die türkischstämmige Frau Nesrin A. und der Kurde vor einem Bielefelder Standesbeamten die Ehe geschlossen. Y. erhielt nach entsprechender Erklärung der Eheleute im Juni 2003 eine Aufenthaltserlaubnis bis September 2004, im November 2004 wurde eine Folgebescheinigung erteilt. Im Gegenzug zog Sinan Y. den Asylantrag zurück.
Die Staatsanwaltschaft Bielefeld ist überzeugt davon, dass diese Ehe nur auf dem Papier, also nur zum Schein geschlossen worden ist. Sinan Y. soll seiner »Ehefrau« dafür 10 000 Euro als Preis gezahlt haben. In der »ehelichen« Wohnung am Spannbrink soll er nicht gewohnt haben, und dafür gibt es sogar den Beweis einer Hausdurchsuchung.
Dieses amtliche Zwangsmittel resultierte aus dem ersten Kuriosum des Falles: Als A. und Y. im Oktober erneut die Aufenthaltsgenehmigung für Y. beantragten, ließ der Kurde dort eine verräterische Verdienstbescheinigung liegen, derzufolge er in 2004 vier Monate lang in Worms angestellt und gemeldet war. Das Ausländeramt ermittelte wegen einer Scheinehe. Die Polizei bestätigte diesen Verdacht, weil die Beamten am Spannbrink eben nicht fündig wurden: Kein Gegenstand wies auf den Kurden als Bewohner hin. Dagegen entdeckten die Kripoleute, daß Nesrin A. dort offenbar mit der ebenfalls türkischstämmigen Lebensgefährtin Ebru B. (29) zusammen wohnte.
Die Staatsanwaltschaft klagte beide Frauen und den Kurden gemeinsamer Verstöße gegen das Ausländergesetz an. Nahrung erhielten die Vorwürfe gestern ausgerechnet von der Mutter der »Ehefrau«. Muzaffer Ü. behauptete als Zeugin, ihre Tochter habe ihr freimütig von einer Scheinehe erzählt: Dafür habe sie sogar 16 000 Euro als »Mitgift« erhalten. Dieses Geständnis habe die Tochter gemacht, nachdem sie im Januar 2005 obendrein einen finanzkräftigen Türken nach moslemischem Ritus geheiratet hatte. Dem Drängen der Eltern auch nach einer standesamtlichen Trauung mochte die Tochter nicht nachgeben, statt dessen offenbarte sie die Zweckehe mit dem Kurden.
A., Y. und B. bestritten die Aussage der Mutter am Montag nachhaltig als »Lüge«. Während der kommenden Verhandlungstage sollen nun weitere Familienmitglieder gehört werden. Für den Fall einer Verurteilung drohen den Angeklagten Freiheitsstrafen, der Kurde muss die Abschiebung fürchten.

Artikel vom 16.08.2006