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Den »Profis« immer einen Schritt voraus

Nikolaikirche: Suchtselbsthilfetag

Von Matthias Meyer zur Heyde
Bielefeld (WB). Auf den Stufen der Altstädter Nikolaikirche ist vor Jahren ein Alkoholiker gestorben. Ein bedrückendes Los - dabei ist die Hilfe gerade in Bielefeld vorbildhaft organisiert, wie beim 1. Suchtselbsthilfetag gezeigt werden soll.

12 000 bis 15 000 Bielefelder bedürften der Hilfe aus der Alkoholsucht, 3000 sind medikamentenabhängig, und dazu kommt die (sinkende) Zahl derer, die illegale Drogen konsumieren. »Wir erreichen aber nur zwölf bis 15 Prozent der Suchtkranken«, sagt Hans-Joachim Burchardt, Vorsitzender des bundesweit einzigartigen Vereins für freiwillige Suchtselbsthilfe in Bielefeld (fS).
Im fS ziehen elf ehrenamtlich arbeitende Institutionen an einem Strang, die am Freitag, 25. August, mit ihrem Anliegen an die Öffentlichkeit treten. Von 11 bis 18.30 Uhr (dann beginnt der »Ökumenische Suchtgottesdienst«) stellen sie auf dem Altstädter Kirchplatz ihre Angebote vor, diskutieren mit Experten, beantworten die Fragen der Passanten und lockern ihr Programm mit Musik auf. Um 11.15 Uhr spricht der Schirmherr des Suchtselbsthilfetages, Oberbürgermeister Eberhard David, die Geleitworte.
»Die Betroffenen kommen selten ohne Anstoß von draußen zu uns«, sagt Dr. Gisbert Ulmer, der vor fast 30 Jahren den »Lichtblick e.V.« aufbaute und heute bei den Guttemplern Rat und Unterstützung gewährt. »Die Vielfalt innerhalb des fS mag auf den ersten Blick irritieren, erweist sich aber als passgenau für die unterschiedlichsten Personengruppen«, meint Gabriele Gottbrath, Vorsitzende der »Arbeitsgemeinschaft Suchtkrankenhilfe« (AGS).
Ob Frauen oder Religiöse, ob Alte, Junge oder Homosexuelle - das Bielefelder Angebot ist breit gefächert und funktioniert ohne Reibungsverluste. »Als selbst Betroffene sind wir den Profis immer einen Schritt voraus, arbeiten aber eng mit Ämtern und Behörden zusammen«, versichert Dieter Assner von der Selbsthilfegruppe des Roten Kreuzes. »Niemand wird abgewiesen, aber wir können dem Hilfesuchenden den Besuch bei anderen, im Einzelfall idealen Gruppen empfehlen«, fügt Helga Heidemann, stellvertretende Vorsitzende des fS hinzu. Die Caritas ist mit im Boot, die Anonymen Alkoholiker sind dem fS assoziiert, »Gay Dry« und das Blaue Kreuz helfen ebenfalls - »so perfekt aufeinander abgestimmt ist hier die Unterstützung für Suchtkranke, dass Bielefeld allenthalben bewundert und bestaunt wird«, versichert Ulmer. Am Teuto war man schon vor gut 20 Jahren so weit, wie anderenorts heute noch nicht.
Um so wichtiger scheint ein Suchtselbsthilfetag zu sein. Mehr als 40 Angebote wöchentlich gilt es am 25. August kennenzulernen. »Diese Einrichtung ist wichtiger Bestandteil der Stadtkirchenarbeit, wir begreifen das als gelebte Sozialdiakonie«, erklärt Pfarrer Armin Piepenbrink-Rademacher. »Engagement ist der beste Schutz gegen die Sucht«, verspricht Burchardt.
Wer sich zentral nach dem individuell passenden Angebot erkundigen möchte, wählt die Nummer des fS: 05 21 / 20 10 51.

Artikel vom 15.08.2006