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Patientin stirbt
bei Operation

Ermittlungen gegen Ex-Chefarzt

Von Hubertus Hartmann
Brakel (WB). Schwerer Vorwurf gegen einen ehemaligen Chefarzt des St. Vincenz-Hospitals in Brakel. Er soll während einer Hüftoperation in aller Seelenruhe gefrühstückt haben, während die 90-jährige Patientin aus Höxter auf dem Operationstisch starb.

Sofort nach Bekanntwerden des Vorfalls hat das Krankenhaus den 55-jährigen Dr. Norbert R. fristlos entlassen. »Eine schlimmere Pflichtverletzung gibt es nicht«, sagte am Freitag Krankenhaus-Geschäftsführer Reinhard Spieß.
Die Staatsanwaltschaft Paderborn ermittelt gegen den Arzt wegen fahrlässiger Tötung. Das bestätigte Oberstaatsanwalt Horst Rürup. Ein von der Strafverfolgungsbehörde in Auftrag gegebenes Gutachten belastet den Mediziner schwer. »Ursache für den Tod der Patientin sind medizinische und organisatorische Versäumnisse. Dr. R. trägt hierfür als Chefarzt und Anästhesist die Verantwortung«, heißt es in der Expertise des Sachverständigen. Als Risikopatientin hätte die alte Dame pausenlos überwacht werden müssen. Auch die bei ihr angewandte Spinalanästhesie sei nicht die richtige Form der Narkose gewesen, meint der Gutachter.
Die Altenheimbewohnerin hatte sich Anfang März bei einem Sturz einen Oberschenkelhalsbruch zugezogen und sollte eine künstliche Hüfte bekommen. Während der Operation hat unstreitig zunächst der Anästhesiepfleger und wenig später auch der Arzt den Operationssaal verlassen. Da die Anästhesisten abgeschirmt hinter einem Tuch säßen, habe das Operationsteam davon nichts bemerkt, erläutert Spieß. Erst ein Mitarbeiter einer anderen Abteilung, der zufällig in den Operationssaal gekommen sei, habe erkannt, dass die Instrumente Alarm schlugen und sich sofort auf die Suche nach dem Arzt gemacht. Nach Zeugenaussagen habe Dr. R. zwischen sieben und 15 Minuten im Frühstücksraum zugebracht. Bei seiner Rückkehr sei die Patientin tot gewesen.
Gegen seine Entlassung klagt der Chefarzt beim Paderborner Arbeitsgericht. »Mein Mandant hat keine adäquate Anstellung gefunden und kämpft um seinen Arbeitsplatz«, sagt sein Anwalt Norbert Müller. Im Gütetermin erklärte der Mediziner, er habe zur Toilette gemusst und sei danach noch einmal kurz in sein Büro gegangen. Zuvor habe er sich allerdings, den Vorschriften entsprechend, bei seinem Kollegen im Nachbar-OP abgemeldet. »Das ist absolut üblich und Alltag«, behauptet Rechtsanwalt Müller.
Dem widerspricht Geschäftsführer Spieß energisch: »Dass sowohl der Pfleger als auch der Anästhesist die Operation verlassen, ist bei uns absolut nicht üblich«.
Die fristlose Kündigung nach 18-jähriger Tätigkeit hält Anwalt Müller für überzogen. Vergleichsgespräche scheiterten.

Artikel vom 12.08.2006