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Lilli nimmt Olympia ins Visier

EM-Dritte Schwarzkopf beendet Freiluft-Saison - Eintrag ins Goldene Buch

Von Matthias Reichstein
Göteborg/Paderborn (WB). Die Nacht war schmerzhaft und kurz, der Tag danach um so schöner. Die Paderborner EM-Dritte Lilli Schwarzkopf strahlte und würde am liebsten die Welt umarmen: »Das war super, einfach grandios. Doch ich kann noch mehr.«

Die Kampfansage an die Weltspitze ist unüberhörbar, der Siebenkampf-Karriere ordnet Schwarzkopf aber auch weiterhin alles unter. Statt bei einem lukrativen Meeting in Toulouse ihr EM-Bronze noch ein bisschen zu versilbern, erklärte die 22-Jährige gestern ihre Freiluft-Saison für beendet: »Ich bin noch nicht austrainiert und habe vergangene Nacht vor Schmerzen kaum schlafen können. Mein Körper ist mir zu wichtig, als dass ich jetzt noch irgendetwas riskieren möchte.«
Die Ziele sind auch hoch genug gesteckt. Medaillen-Ansprüche für die Olympischen Spiele 2008 in Peking und die Weltmeisterschaften 2009 in Berlin sind formuliert und aus Sicht von Lothar Pongratz (Vorsitzender LC Paderborn) berechtigt: »Ihre Leistung hat mich umgehauen. Denn im Ullevi-Stadion waren die Besten am Start und Lilli hat nur um drei Punkte Silber verpasst.« Diese drei Zähler, oder umgerechnet ein Zentimeter im Weitsprung, wurmten die Sport-Studentin noch am Dienstagabend, doch alle trüben Gedanken waren wenig später verflogen. Spätestens, als Schwedens Kronprinzessin Victoria ihr das Edelmetall überreichte: »Das war das I-Tüpfelchen. Wichtig bleibt deshalb nur die Medaille. Sie steht für den größten Erfolg meiner Karriere, da ist die Farbe egal.«
Silber knapp verpasst, Bronze eindrucksvoll gewonnen und ihre persönliche Bestleitung noch einmal auf nun 6 420 Punkte gesteigert - die junge, ehrgeizige und starke Siebenkämpferin aus Bad Driburg (Kreis Höxter) wird sich künftig mit der Weltspitze messen müssen, an ein Duell mit Carolina Klüft auf Augenhöhe glaubt sie aber nicht: »Sie war diesmal nicht fit und trotzdem nie in Gefahr. Carolina ist unschlagbar und startet in einer anderen Liga.« Die Schwedin ist Weltmeisterin, Olympiasiegerin, hat alles gewonnen und blieb mit 6740 Zählern auch im 17. Siebenkampf ohne Niederlage - eine Bilanz, die auch Schwarzkopf beeindruckt: »Sie ist die Größte und dennoch freundlich, umgänglich und hilfsbereit geblieben. Carolina ist mein Vorbild.«
Einer der ersten Anrufer war am gestern Heinz Paus. Paderborns Bürgermeister lud die hochtalentierte Leichtathletin ins Rathaus ein, dort soll sich Lilli Schwarzkopf Mitte der kommenden Woche ins Goldene Buch der Stadt eintragen. »Damit wollen wir ihre herausragende sportliche Leistung würdigen«, meinte Paus. Einen Glückwunsch von ihrer einzigen Teamkollegin gab es dagegen nicht. Claudia Tonn, die am Freitag im Weitsprung startet, schickte nicht einmal eine SMS . . .
Einen gemeinsamen Auftritt wird es dennoch geben: Der LC Paderborn möchte seinen beiden Top-Athletinnen am Dienstag einen Empfang im Ahorn-Sportpark bereiten. Seit gestern laufen die Vorbereitungen und Schatzmeisterin Marlies Brünemeier verspricht: »Wir werden uns etwas Besonderes einfallen lassen.«
Lilli sowie Vater und Trainer Reinhold Schwarzkopf kehren erst am Montag nach Paderborn zurück, Mutter Amalia und Schwester Rimma reisten bereits gestern ab. Mit im Gepäck, die ersten Bilder von der Ehrenrunde. In eine deutsche Fahne gehüllt, lief Lilli neben Carolina. Minuten des Glücks, die um die Welt gingen.

Artikel vom 10.08.2006