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Im Mittelstand wächst Unmut

Ohoven erwartet härtere Gangart

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). Aufheiterung und Eintrübung zugleich sieht Mario Ohoven, Präsident im Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW), am Himmel über 160 000 Mitgliedsbetrieben.
Mittelstandschef Mario Ohoven. Foto: Hörttrich
»Wenn sich der Mittelstand nicht wehrt, wird er weggekehrt«, lautete gestern das Mantra des wohl umtriebigsten aller Mittelstandsrepräsentanten in Deutschland beim Redaktionsgespräch mit dem WESTFALEN-BLATT. Schon Schröders Steuerreform sei allein für Große gut gewesen, schlecht aber für die kleinen Unternehmen. Auch Merkel und Müntefering lobten sonntags die vielen Kleinen als letzte Garanten neuer Jobs, säßen alltags aber wieder auf dem Schoß der Großindustrie.
Ohoven: »Der Mittelstand zahlt die höchsten Steuern und Abgaben, verfügt in Europa über das geringste Eigenkapital und bekommt durch Basel II am Ende das schlechtere Rating.« Enttäuschung über die Politik der großen Koalition ist unverkennbar. Mitunter muss der Präsident irritierten Mitgliedern klar machen, dass die Agenda 2010 nur auf den ersten Blick zurück womöglich das bessere Konzept war.
Auch bei der Gesundheitsreform entferne sich die neue Regierung vom sinnvollen Ziel, Gesundheitskosten von Arbeitskosten abzukoppeln. Zeitgleich mit der Anhebung der Mehrwertsteuer um drei Punkte werde jetzt die Anhebung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge um insgesamt 0,5 Prozentpunkte den Faktor Arbeit zusätzlich um fünf Milliarden Euro belasten. Die Wirtschaft kann nur noch mit dem Kopf schütteln. Binnennachfrage und Konsum sowie die Bereitschaft, neue Arbeitsplätze zu schaffen, würden definitiv geschwächt, ist sich nicht nur der BVMW sicher.
Leises Lob hat Ohoven für die geplante Unternehmenssteuerreform: »Die Bundesregierung hat endlich erkannt, dass eine Steuersenkung zwar anfangs Mindereinnahmen bedeutet, mittelfristig aber Impulse für Investitionen und Wachstum bringt - und damit sogar Mehreinnahmen für den Fiskus.« Allerdings müsse die Reform auch tatsächlich zur Entlastung aller Unternehmen führen, mahnt er an.
Die von Finanzminister Peer Steinbrück ins Auge gefasste Substanzbesteuerung sei klar abzulehnen. Unternehmen mit wenig Eigenkapital müssten sonst besonders hohe Steuern zahlen. Ohoven: »Das wäre nicht nur ein Hemmschuh für Investitionen im Mittelstand, sondern eine existenzielle Bedrohung vieler Klein- und Mittelbetriebe.«
Auch wenn der normale Mittelständler für Politik, Druck und Demos wenig Sinn habe, rechnet Ohoven in Zukunft mit härteren Bandagen. Der gnadenlose globale Wettbewerb bleibe nicht ohne Folgen fürs Gemüt. Es werde kaum bei einem Demonstrationszug mit schwarzen Sarg an der Spitze wie jüngst in Düsseldorf bleiben, sagt der Herr mit den ausgesucht guten Umgangsformen voraus.

Artikel vom 10.08.2006