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Ehefrau bestreitet den Mord

Kaufmann erschlagen und zersägt - Angeklagte beschuldigt drei Männer

Von Christian Althoff und
Stefan Hörttrich (Foto)
Detmold (WB). Jeder Platz auf den Zuschauerbänken war besetzt: in Detmold hat gestern der Mordprozess gegen Marina Popova (40) begonnen. Die Russin soll ihren deutschen Ehemann Herbert Böhm (47) erschlagen und zersägt haben. Zum Prozessauftakt beschuldigte die Angeklagte überraschend drei Männer der Tat.
Herbert Böhm war »herzensgut«. Foto: privat

Ein Justizwachtmeister führte die dunkelblonde Frau um 9.05 Uhr zur Anklagebank. In sechs Monaten Untersuchungshaft hatte die ehemals stämmige Russin deutlich an Gewicht verloren. Die nunmehr zerbrechlich wirkende Angeklagte nahm zwischen ihrem Verteidiger Detlev Stoffels und einer Dolmetscherin Platz.
Zu Beginn der Verhandlung warf Oberstaatsanwalt Diethard Höbrink der Angeklagten vor, in der Nacht zum 28. Januar in Horn-Bad Meinberg (Kreis Lippe) ihrem schlafenden Ehemann mindestens 20 Mal mit einem Fleischklopfer auf den Kopf geschlagen zu haben. »Sie haben den Toten zersägt, in Tüten verpackt und in einen nahen Wald geschafft!« Zum Motiv der Frau sagte Höbrink nichts, es gilt bis heute als ungeklärt.
Schwer atmend und stockend verlas Marina Popova daraufhin eine dreieinhalbminütige Erklärung in russischer Sprache, die anschließend übersetzt wurde. »Ich habe Herbert nicht umgebracht. Er ist von drei Männern getötet worden, die mich vorher aus dem Haus gebracht haben. Anschließend holten sie mich zurück und zwangen mich, das Blut im Schlafzimmer, im Bad und im Keller aufzuwischen. Sie sagten: ÝVerhalte dich ruhig - sonst passiert deinen Kindern etwas.Ü« Marina Popovas Sohn (19) und ihre Tochter (22) aus erster Ehe leben in Riga. Beschreiben wollte die Angeklagte die drei Männer nicht, auch zu deren möglichem Motiv machte sie keine Angaben. Bislang hatte Marina Popova immer behauptet, sie wisse nichts über den Tod ihres Mannes.
Herbert Böhm, der als Mitarbeiter des Paderborner Unternehmens »Inbit« in der Niederlassung Unna Kaufleute an Computern schulte, hatte die in Riga lebende Russin 2004 über eine lettische Partnervermittlung kennengelernt. »Herbert lud mich nach Deutschland ein und zeigte mir seine Heimat. Er war herzensgut. Trotzdem habe ich seinen ersten Heiratantrag abgelehnt, weil es mir zu schnell ging«, sagte die Witwe. Als er ihr später erklärt habe, er könne aus gesundheitlichen Gründen keine Intimbeziehung mehr haben, habe er ihr leid getan. »Auch deshalb habe ich ihn im März 2005 geheiratet.« Es sei eine ungewöhliche Ehe gewesen, berichtete die Angeklagte: »Herbert konnte kein Russisch, ich kann kein Deutsch. Wenn wir uns unterhalten wollten, haben wir uns vor unseren Computer gesetzt und ein Übersetzungsprogramm benutzt.«
Arbeitskolleginnen des späteren Mordopfers sagten aus, Herbert Böhm sei ungewöhnlich stolz darauf gewesen, geheiratet zu haben. »Er liebte seine Frau abgöttisch«, sagte eine Zeugin. Eine andere erinnerte sich, dass Herbert Böhm immer wieder stolz seinen Ehering gezeigt habe. Alle Kolleginnen beschrieben Böhm als extrem zuverlässig. Deshalb hatten sie auch sofort Vermisstenanzeige erstattet, als er am 30. Januar nicht zur Arbeit erschienen war. Die Streifenbeamten, die damals Böhms Haus aufsuchten, glaubten zunächst der Ehefrau, dass sich ihr Mann in Berlin aufhalte. Das Fleisch in einer Reisetasche, die den Polizisten im Haus aufgefallen war, hatten die Beamten für Schlachtabfall gehalten - bis Holzfäller ein paar Tage später in der Nähe in einem Wald auf eine Plastiktüte mit einem menschlichen Fuß gestoßen waren. Der Prozess wird Montag fortgesetzt.

Artikel vom 10.08.2006