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Noch sind 17 Atomkraftwerke an 12 Standorten in Betrieb

Neue Debatte um Sicherheit deutscher Meiler nach Störfall in Schweden

Berlin (dpa). Der Störfall im schwedischen Kernkraftwerk Forsmark hat die Debatte über den Atomausstieg in Deutschland neu angefacht. Dazu fünf Fragen und Antworten:
Worauf beruht der »Atomausstieg«? Die Stilllegung beruht auf dem »Atomkonsens« vom Juni 2000 zwischen der damaligen rot-grünen Bundesregierung und den vier größten Energieunternehmen Deutschlands. Seit 2002 ist der Ausstieg im Atomgesetz festgeschrieben. Aus der Union gibt es Forderungen nach längerer Laufzeit für Kernkraftwerke. Die SPD lehnt dies ab. Im Koalitionsvertrag von 2005 einigten sich beide Parteien auf die unveränderte Beibehaltung des Vertrags mit der Wirtschaft. Dieser schließt auch den Bau neuer Reaktoren und den Transport zur Wiederaufbereitung von Atommüll im Ausland aus. Stattdessen soll bis zum Bau eines Endlagers der Atommüll in Zwischenlagern an den Standorten der Meiler deponiert werden.

Wie viele Atomkraftwerke sind in Deutschland am Netz? Derzeit sind noch 17 Kraftwerke an zwölf Standorten in Westdeutschland in Betrieb. Die meisten Anlagen haben eine Leistung von etwa 1300 bis 1400 Megawatt. Die Stilllegung des niedersächsischen Kraftwerks Stade im November 2003 war für Atomkraftgegner der erste konkrete Schritt zum Ausstieg aus der Atomenergie. Im Mai 2005 wurde der Meiler im badischen Obrigheim abgeschaltet. Als nächstes müssten vier Akw stillgelegt werden: voraussichtlich 2007 der Reaktorblock A des hessischen Kraftwerks Biblis, etwa 2008 Neckarwestheim I bei Karlsruhe sowie 2009 Biblis B und Brunsbüttel in Schleswig-Holstein.

Wie lange sollen die übrigen Kraftwerke noch laufen? Wie lange ein Akw noch Strom produzieren darf, hängt von seiner Reststrommenge ab. Diese wurde nach einem komplizierten Schlüssel bei einer angenommenen Regellaufzeit eines Meilers von 32 Jahren errechnet. Nach dem Atomkonsens sollen alle Meiler schrittweise bis 2021 abgeschaltet werden. Als letzte sollen 2020 Isar 2 bei Essenbach und Emsland bei Lingen sowie 2021 schließlich Neckarwestheim 2 folgen.

Welchen Anteil hat die Atomenergie an der Erzeugung? Die Produktion von 167,1 Milliarden Kilowattstunden Atomstrom im Jahr 2004 entsprach einem Anteil von 27,5 Prozent der gesamten Stromerzeugung von 607 Milliarden Kilowattstunden. Auf den nächsten Plätzen folgen Braunkohle (26,1), Steinkohle (22,8) und Naturgas (10,2). Wind- und Wasserkraft kommen zusammen auf 8,6 Prozent. Beim Gesamtenergieverbrauch hat die Atomenergie nur einen Anteil von 12,6 Prozent. Mineralöl (36,4 Prozent) und Gas (22,4) liegen hier deutlich vorn.

Welche Vor- und Nachteile hat die Atomkraft? Befürworter argumentieren mit der Klimafreundlichkeit. Die deutschen Kraftwerke ersparten demnach den Ausstoß von etwa 150 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr. Nach Angaben des Deutschen Atomforums ist Atomenergie in Deutschland »auf absehbare Zeit wettbewerbsfähig«, da die Kosten der Erzeugung klar unter dem Marktpreis für Strom lägen. Kritiker argumentieren mit Umwelt- und Sicherheitsrisiken sowie der ungelösten Entsorgung des Atommülls. Aus Sicht der Atomkraftgegner ermöglichen Subventionen in Form von Steuerbefreiungen, Investitionszuschüssen und Forschungsgeldern den niedrigen Preis des Atomstroms.

Artikel vom 09.08.2006