09.09.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Naturgemäß im Doppelpack
Faszination Zwillinge - die Schwestern Folke und Gyde Schmidt vermarkten erfolgreich ihresgleichen
Sie sind eine schöne Laune der Natur und deshalb so besonders: Eineiige Zwillinge üben auf »normale« Menschen seit eh und je eine große Faszination aus.
Das wiederum macht sie interessant für jegliche Art von künstlerischer Betätigung, denn ganz automatisch hinterlassen Zwillingspaare einen doppelt so starken Eindruck. Bestes Beispiel dafür sind die 70-jährigen Kessler-Zwillinge, die singend und tanzend seit mehr als 50 Jahren auf den großen Bühnen dieser Welt erfolgreich sind.
Nicht ganz so berühmt sind Folke und Gyde Schmidt. Aber immerhin zählen die eineiigen Schwestern aus Flensburg zu den bekanntesten Gesichtern auf dem deutschen Werbemarkt, denn seit sieben Jahren stehen die 28-jährigen Zwillinge für einen großen Pharmakonzern vor der Kamera.
Irgendwann beschlossen die beiden, ihre Erfahrungen weiterzugeben: »Wir möchten mit unserem Know-how anderen Zwillingen die Möglichkeit bieten, ebenfalls in der Werbebranche Fuß zu fassen«, sagt Gyde Schmidt, die mit ihrer Schwester vor drei Jahren die CastingAgentur erbseundwurzel.de gegründet hat. Hinter dem vegetarisch anmutenden Namen verbirgt sich eine große Kartei, in der schon mehr als 1000 Zwillingspärchen registriert sind.
Erfasst werden alle Altersklassen - vom Baby bis zum Rentner. Unter den Mitgliedern sind Models, Artisten, Schauspieler, Sportler, Tanztalente, Sänger, Musiker und viele andere Doppelpacks, die bei unterschiedlichsten Veranstaltungen zum Einsatz kommen.
Neben der klassischen Vermittlung von Personen organisiert die Agentur auch originelle Veranstaltungen wie zum Beispiel Kochkurse, informative Themenabende und internationale Zwillingstreffen in deutschen Metropolen. Die nächste Zusammenkunft dieser Art soll am kommenden Wochenende, vom 15. bis 17. September, im CongressPark Wolfsburg stattfinden.
Die Stars der Veranstaltung, Folke und Gyde Schmidt, sind inzwischen wahre Medienprofis. Folke, ausgebildete Hotelfachfrau, und Gyde, gelernte Bauzeichnerin, studierten gemeinsam an einer Hamburger Akademie Moderationstechnik und Medienpräsentation. Heute belegt Folke an der Universität in Lüneburg noch den Kurs »Angewandte Kulturwissenschaften«, während Gyde neben einem journalistischen Fernstudium die gemeinsame Agentur leitet.
Immer wieder müssen die fröhlichen Blondinen die Frage beantworten, was denn nun Gemüse mit Zwillingen zu tun hat. Dann erklären sie - vielleicht zum tausendsten Mal, welche Philosophie hinter dem Namen erbseundwurzel.de steckt.
Dazu muss man wissen, dass der Begriff Wurzel im norddeutschen Sprachgebrauch Möhre oder Karotte bedeutet. Und bekanntlich sind Erbsen und Möhren zwei eigenständige, unterschiedliche Gemüsesorten, die sehr oft zusammen gegessen werden, aber auch getrennt auf dem Teller liegen können.
»Wir haben früher immer Erbsen und Wurzeln zu unseren Fischstäbchen gegessen«, erinnern sich die Schmidt-Zwillinge, »deswegen gehören sie einfach zusammen - genauso wie Zwillinge! Auch die werden oftmals in einen Topf geworfen, ohne zu beachten, dass sich dahinter zwei Individuen verbergen.«
Ihre Botschaft ist klar: Zwar treten Zwillinge naturgemäß im Doppelpack auf, für sie selbst ist das aber nicht immer ein Segen. Der Fluch beginnt dann, wenn sie generell nur als Einheit wahrgenommen werden. Eine Frage, die sich die meisten Zwillinge deshalb spätestens mit Beginn der Pubertät stellen: Wo beginnt eigentlich das »Ich« und wo genau endet das »Wir«? Die Suche nach der eigenen Identität bestimmt oft das ganze Leben eineiiger Zwillinge.
Aber nicht nur ihr eigenes: Das Phänomen der biologischen Dublette beschäftigt und fasziniert seit jeher auch Dichter, Philosophen und natürlich Forscher. Im Vordergrund ihrer systematischen Vergleiche steht stets die Frage, welche Bedeutung genetische Anlagen einerseits und Umweltfaktoren andererseits für die Ausprägung von psychischen Merkmalen haben.
Vor einigen Jahrzehnten ging man noch davon aus, dass die Erbanlagen nur zu 30 Prozent bestimmen, was einen Menschen ausmacht. Heute glauben Wissenschaftler, dass sich Gene und Umwelteinfluss in etwa die Waage halten.
Doch wie entstehen Zwillinge eigentlich? Bei eineiigen Geschwistern teilt sich die Eizelle nach der Befruchtung innerhalb von zehn Tagen in zwei Keime. Neun Monate später kommen die doppelten Lottchen mit identischen Erbanlagen zur Welt. Das bedeutet allerdings nicht, dass sich die beiden Babys nicht voneinander unterscheiden. Fingerabdrücke, Leberflecke oder unterschiedlich geformte Ohrmuscheln weisen durchaus Individualität auf.
Das Phänomen der Zwillingsgeburt tritt bei eintausend Geburten nur etwa viermal auf. Man hört immer wieder von Paaren, die ihre eigene Sprache entwickeln und mit einem unsichtbaren Band verbunden sind. Oftmals spüren sie über große Entfernungen, ob es dem Bruder oder der Schwester gut geht. Es gibt auch Berichte über Zwillinge, die bei der Geburt getrennt wurden und trotzdem unabhängig voneinander das gleiche Leben führen. Kein Wunder also, dass eineiige Zwillinge die Aufmerksamkeit ihrer Mitmenschen auf sich ziehen.
Zweieiige Zwillinge entstehen, wenn gleichzeitig zwei Eizellen von zwei Samenzellen befruchtet werden. Sie sehen sich meist nicht so ähnlich wie eineiige Geschwister; manchmal ist es schwierig, überhaupt eine Ähnlichkeit zu entdecken.
Die Wahrscheinlichkeit für eine Frau, zweieiige Zwillinge zu bekommen, ist im Allgemeinen größer, wenn sie selbst Zwilling ist oder es in der Familie der Mutter schon irgendwann einmal Zwillinge gab. Es spielt aber keine Rolle, ob in der väterlichen Linie Zwillinge vorkommen. Bei eineiigen Zwillingen haben all diese Faktoren überhaupt keine Bedeutung - sie sind wirklich ein reines Zufallsprodukt. Kerstin Heyde

Artikel vom 09.09.2006