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Jeder baut sich seine Welt
Deutsche Kinder spielen seit 50 Jahren mit Lego -Êvom Aufstieg eines kleinen dänischen HandwerksbetriebsDie Trümmer waren weggeräumt. Stein auf Stein baute die deutsche Bevölkerung am Wirtschaftswunder. Stein auf Stein spielten sich auch die Kinder in eine neue Welt. Vor 50 Jahren hat Lego deutschen Boden betreten.
1956 lag das Weltkriegsende erst elf Jahre zurück. Andererseits war Deutschland seit zwei Jahren Fußballweltmeister. Chruschtschow beendete in Moskau die Stalin-Ära. Zugleich verweigerte der Warschauer Pakt jedoch den Ungarn die ersehnte Freiheit. In Bonn war Kanzler Konrad Adenauer auf dem Höhepunkt seiner Macht. Und sein Wirtschaftsminister Ludwig Erhard weckte mit dem Slogan »Wohlstand für alle« bei den Deutschen Visionen von einer glänzenden materiellen Zukunft. Wer sich noch kein eigenes Automobil leisten konnte, durfte sich eine Mini-Version aus Revell-Teilchen zusammenbauen: Der Modellbauer im ostwestfälischen Bünde startete ebenfalls in diesem Jahr 1956.
Mit Hilfe von Lego -Êdas dänische »Leg godt« bedeutet »Spiel gut« - bauten sich die Kinder ihre eigenen Welten. Dabei hatten die farbigen Kunststoffquader aus Celluloseacetat durchaus Vorläufer. Die traditionellen Holz- und Steinbaukästen von Anker, die in ihrem Ursprung auf eine Idee der Flugpioniere Gustav und Otto Lilienthal zurückgingen, besaßen sogar im Ansatz schon die charakteristischen Noppen, die Kinderbauwerken eine gewisse Stabilität verleihen. Die mehr als 600 unterschiedlichen Anker-Steine bestanden aus einem gefärbten Kalk-Sand-Gemisch. Sie ermöglichten den Nachbau selbst von komplizierten architektonischen Gebäuden. Ergänzt wurde das Programm durch Sträucher, Bäume und Figuren auf Papierbögen zum Ausschneiden.
Im Gegensatz zu Anker und ähnlichen, überwiegend in den zwanziger Jahren entwickelten Spielzeugprodukten wie der »Dresdner Gartenbaukasten«, der »Von Nostiz Spiel- und Bildungsbaukasten«, der »Matador-Holzbaukasten« und der »Münchner Kindl Baukasten«Êzielt Lego allerdings nicht auf naturgetreue Wiedergabe. Viel lieber bauen sich Lego-Kinder ihre eigenen, immer neuen Phantasie-Welten. Dazu wurde die Produktpalette ständig erweitert, etwa durch Platten, Fenster, Türen und Schrägdächer, später um Räder, transparente Steine und Figuren. Heute bietet das klassische Lego Tausende unterschiedliche Bauteile.
Gegründet hatte Tischlermeister Ole Kirk Christiansen Lego schon 1932 im jütländischen Billund. Zunächst produzierte der Handwerksbetrieb jedoch Holzspielwaren. Den Grundstein zu Europas größtem Spielzeugkonzern legte Christiansen 1947 mit der Anschaffung der ersten Spritzguss-Maschine. Zwei Jahre später produzierte er damit den Lego-Urbaustein. 1963 wurde das Celluloseacetat durch einen anderen Kunststoff ersetzt. Erlaubt ist eine Toleranz von höchstens zwei Mikrometern. So fügen sich 40 Jahre alte Legos passgenau zu den Steinen von heute.
Inzwischen hat Lego sein Produktprogramm erheblich ausgeweitet. 1967 begannen die Dänen mit »Duplo«, einen im Maßstab 2:1 vergrößerten Lego-Stein für Kleinkinder. Die Allerkleinsten bis eineinhalb Jahre spielen heute zudem mit den noch größeren »Quatro«-Steinen.
Ende der siebziger Jahre kam Lego-Technik in die Spielwarengeschäfte. Mit »Space« startete die erste Themenserie zum Flug ins All - eine Vision, die übrigens 2001 tatsächlich Wirklichkeit wurde. Vor knapp fünf Jahren hob »Jitter«, ein von Krefelder Schülern mit Hilfe von Lego entwickelter Roboter (Foto), in einem Space Shuttle zur Weltraumstation ISS ab, um dort kleine Schwebeteile einzufangen. Die Schüler nutzten dazu übrigens die Mindstorm-Technologie, mit der Jugendliche seit 1998 Lego-Bauteile selbst am Computer programmieren.
Eine komplett neue Spielwelt erschließt seit der Jahrtausendwende »Bionicle«; die Fantasy-Geschichte der Toa auf Mata Nui erinnert stark an Elemente der polynesischen Mythologie.
Mit »Lego-Land«, das 1968 auf Billund eröffnet wurde, gehört der Konzern auch zu den Pionieren der ThemenFreizeitparks. 2002 fiel in Günzburg der Startschuss für das Lego-Land in Deutschland. Spektakuläre Neuanschaffung in diesem Jahr: das riesige Münchener Fußballstadion Allianz-Arena im Lego-Format.
Im Jubiläumsjahr der deutschen Niederlassung startete Lego 2006 einen Bauwettbewerb: mein Traumhaus aus Lego-Steinen. Teilnehmer müssen sich allerdings sputen. Einsendeschluss ist schon am Montag, 21. August. Weitere Infos im Internet unter www.LEGO.com/50Jahre. Bernhard Hertlein

Artikel vom 19.08.2006