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»Ich habe drei Medaillen«

Nach dem Hürden-Protest: Silber für Kirsten Bolm

Göteborg (dpa). Für Kirsten Bolm war das Hürdensprint-Finale ein Wechselbad der Gefühle zwischen Panik und purem Glück. »Eigentlich habe ich drei Medaillen gewonnen: Silber, Bronze und Silber«, scherzte die 31 Jahre alte Mannheimerin nach Stunden der Ungewissheit.

Erst ein Protest des Deutschen Leichtathletik-Verbandes und die Analyse der Zielfotos bestätigten in der Nacht zum Samstag: Sowohl Bolm als auch die Irin Derval O'Rourke erhalten Silber zuerkannt, Gold gewann die Schwedin Susanna Kallur.
Nach den 12,72 Sekunden glaubte die deutsche Mitfavoritin allerdings, dass sogar alles verloren ist. »Ich habe das ganze Feld vor mir gesehen und Panik bekommen«, erzählte sie. Ein schlechter Start und ein minimaler Schlenker bei der dritten Hürde kosteten Tausendstelsekunden, die sie mit einem fulminanten Finish wett machte. Dass ihr Name dann auf der Anzeigetafel zunächst an zweiter Stelle aufleuchtete, wieder verschwand und schließlich auf dem Bronze-Rang erneut erschien, kostete ebenso Nervenkraft wie das drei Stunden lange Warten auf den Jury-Entscheid. »Ich habe ganz schön gebibbert«, sagte Kirsten Bolm.
Für die Psychologiestudentin ist es die erste Medaille bei einem großen Freiluft-Titelkampf. »Das ist der wertvollste Erfolg, den ich je erreicht habe. Diese Medaille hat einen besonderen Platz«, freute sich die WM-Vierte, die 2004 wegen einer Häufung von Verletzungen um ein Haar ihre Karriere beendet hätte. Davon ist jetzt überhaupt keine Rede mehr. »Wenn ich mit meiner Leistung keine Talfahrt habe, kann es sein, dass ich bis zur WM 2009 in Berlin dabei bin«, kündigte Kirsten Bolm an, »doch das wäre ein Bonus.«
Um neue Motivation zu bekommen, will sie das Training mit Coach Rüdiger Harksen von Herbst an etwas umstellen. »Ich will nicht wie in den vergangenen sechs Jahren immer den gleichen Hügel hoch laufen«, meinte Kirsten Bolm, die ihre Bestleistung von 12,59 Sekunden unterbieten will (»Die Zeit zu toppen, ist noch ein Karriereziel«).
Arbeiten müsste sie dafür auch an der schwachen Beschleunigung beim Start und ihrer hoher Fehlerquote an Hürde drei. »Ich habe mit 182 Zentimetern eine ungünstige Größe und komme mit meinen langen Schritten zu dicht an die Hürde«, begründete Kirsten Bolm dieses Manko, das sie mit einem grandiosen Schlussspurt oft ausgleichen kann. »Wenn die Strecke 120 Meter lang gewesen wäre, wäre ich vielleicht Europameisterin geworden«, sagte die in Frechen bei Köln geborene Läuferin.

Artikel vom 14.08.2006