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Per Dampfer in
die Freiheit

Spektakuläre DDR-Flucht als Doku

ARD, 23.05 Uhr: Im Sommer 1962 ist Berlin bereits ein Jahr lang eine geteilte Stadt. Die Mauer trennt Familien, Freunde und Liebende. Sie hat das Leben der Menschen von einem Tag auf den anderen verändert.
Jutta Grabert war 18, als sie mit Freund und sechs Monate altem Sohn floh. Foto: dpa

Ohnmächtig und tatenlos müssen sie den Willkürakt der DDR-Staatsführung ertragen. Aber nicht alle finden sich damit ab. Davon berichtet im Vorfeld des 45. Jahrestages des Mauerbaus am 13. August 1961 der Film »Letzte Ausfahrt Westberlin - 138 Schüsse auf die ÝFriedrich WolfÜ«.
Am Morgen des 8. Juni 1962 entführten 13 junge Ostberliner den Ausflugsdampfer »Friedrich Wolf«, das größte Fahrgastschiff der Ostberliner »Weißen Flotte«. In nur 15 Minuten gelang ihnen unter Dauerfeuer der DDR-Grenzposten der Durchbruch über die Spree in den Westteil der Stadt. Der Stasi-Untersuchungsbericht über den »staatsfeindlichen Grenzdurchbruch am 8. Juni 1962« zählt 138 abgegebene Schüsse. Wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt.
Den dramatischen Ablauf der Ereignisse rekonstruiert der Film in nachgestellten Spielszenen. 44 Jahre nach ihrer spektakulären Flucht stellt der Film die Flüchtlinge der »Friedrich Wolf« vor. Jörg Lindner, ehemals Schiffskoch, lebt heute in Schweden und lehrt Geschichte an der Universität von Umeå. Steuermann Peter Warszewski ist als Bauunternehmer in Spanien tätig. Den Zweiten Steuermann, Peter Currle, hat es nach Frankreich gezogen.
Auch 62-jährige Jutta Grabert erinnert sich an das Geschehen vor 44 Jahren, als wäre es gestern gewesen. »Es ist noch einmal alles vor mir abgelaufen«, sagte sie berührt nach der Vorpremiere. Gemeinsam mit Freund und Baby war sie damals geflohen..
Sie wollte Geschichte nacherlebbar werden lassen, sagte Regisseurin Inga Wolfram zu den Motiven für den Film. Zugleich habe sie mit Schwarzweiß-Aufnahmen von Mauer und Stacheldraht auch an die erinnern wollen, denen die Flucht nicht gelang.
Günter Schabowski, ehemals im SED-Politbüro und als Zeitzeuge zur Vorpremiere eingeladen, lobte den 45-Minüter. Vermittelt werde der »Wahnsinn« der DDR-Führung, dass Menschen verboten wurde, anderer Meinung zu sein. Zwei Millionen flohen laut Schabowski von Mauerbau bis Herbst 1989 aus der DDR.

Artikel vom 09.08.2006