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»Guten Appetit«
wünscht niemand

Doku-Film »We feed the World«

Von Andreas Schnadwinkel
Bielefeld (WB). Passend zum Beginn des neuen Schuljahres möchte der Landwirtschaftsverband mit der Aktion »Abenteuer Bauernhof: Unterricht als Live-Erlebnis« Kindern und Jugendlichen zeigen, wie auf Äckern und in Ställen Nahrungsmittel entstehen.

»Kinder ernähren sich vielfach aus der Tiefkühltruhe und dem Tetrapack. Sie wissen nur noch selten, woher ihre Nahrungsmittel kommen«, sagt der Bielefelder Agrarfunktionär Heinrich Dingerdissen. Und wenn man sich den Film »We feed the World« (Wir füttern die Welt) ansieht, dann will man das auch besser gar nicht wissen. 250 000 Zuschauer haben die Dokumentation bislang in den deutschen Kinos gesehen. Sie läuft im Bielefelder »Astoria« an diesem Samstag und Sonntag, 15 Uhr.
Das Thema ist alles andere als appetitlich: industrielle Lebensmittelüberproduktion in Zeiten wachsender Globalisierung. In 96 Minuten bringt Regisseur Erwin Wagenhofer ganz unaufgeregt das - gelinde gesagt - widersprüchliche System aus nationalem Protektionismus, Profitstreben, Subventionen, Umweltsünden und Hungersnot auf den Punkt.
Von den Gewächshaustomaten im südspanischen Almeria bis zu fragwürdigen Saatgutexporten nach Rumänien zeigt der Österreicher, wie die Nahrungsmittelindustrie funktioniert. Dabei übt Wagenhofer nicht Kritik an der Qualität der Produkte, sondern an den Folgen von Monostrukturen und Handelsschranken.
An der nordfranzösischen Küste haben die Fischer Angst vor den Beamten der Europäischen Union (EU), die ihre Fänge statistisch auswerten wollen und Daten fordern. Dahinter vermuten die bretonischen Kutterführer den Versuch einer Lobby, großen Fischereikonzernen Informationen und damit Vorteile zu verschaffen.
Man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um sich »We feed the World« mit Interesse anzuschauen. Auf den Spuren von Michael Moores »Downsize this« bewegt sich Wagenhofer, wenn er den Nestlé-Chef Peter Brabeck zum Thema Wasserwirtschaft zu Wort kommen lässt.
Als roter Faden dient ein Interview mit Jean Ziegler. Der UN-Sonderberichterstatter unterfüttert die Aussagen des Films mit offiziellen Zahlen. Sein Fazit: USA und Europa sollten ihre subventionierten und abgeschotteten Märkte für Agrarimporte aus Afrika öffnen, statt jährlich ein paar Milliarden Euro Entwicklungshilfe mit der Gießkanne zu verteilen.
Ob »We feed the World« das Konsumverhalten der Verbraucher zu verändern vermag? Dass Nahrungsmittel so produziert werden, wie es hier dokumentarisch dargestellt wird, hängt indes auch mit dem Preisbewusstsein der Konsumenten zusammen. Steuerbelastung und Sozialabgaben sind in den EU-Staaten so sehr gestiegen, dass die Verbraucher auch bei den Lebensmitteln sparen (müssen).
Von »We feed the World« müssen sich weder hiesige Landwirte noch Lebensmittelhändler und Discounter angegriffen fühlen. Die Kritik zielt auf die Regierungen der westlichen Industriestaaten und deren fragwürdige Politik.
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Artikel vom 12.08.2006