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Sieben-Tage-Streik der Ärzte

Mitte und Rosenhöhe: 200 Betten stehen leer, Notfallversorgung sicher

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). »Wir fordern eine faire Entlohnung, die Verringerung der administrativen Aufgaben und ausgeruhte Ärzte für die Patienten,« bringt Dr. Theo Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe die Gründe auf den Punkt, warum die Mediziner an den kommunalen Kliniken - in Bielefeld an den Häusern Mitte und Rosenhöhe - seit gestern streiken. Sieben Tage. Zunächst. Denn, so Streikleiter Dr. Christian Leuner (Klinikum Mitte) und seine Stellvertreterin Dr. Christina Gronemeyer (Rosenhöhe): »Dieser Streik endet nicht mit einem Einlenken der Ärzteschaft.«

Die kommunalen Krankenhäuser, so Windhorst, bleiben für Notfälle, Tumorpatienten, Geburten und Herzinfarktpatienten weiter voll funktionsfähig: »Von 240 Ärzten ist ein Drittel in der Klinik tätig, ein Drittel ist aktiv im Streik, ein Drittel hat nachtdienstfrei oder ist im Urlaub.« Gut 70 Mediziner demonstrierten gestern zunächst vor dem Krankenhaus an der Teutoburger Straße und zogen dann in die Innenstadt zum Jahnplatz, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen.
Inzwischen wird der Tonfall schärfer. Der Marburger Bund spricht von »Lohnraub«, die organisierten Mediziner in Bielefeld fühlen sich »vom Arbeitgeber verschaukelt«, es sei »Wut angestaut« worden, die Verhandlungen der Gewerkschaft ver.di seien »ein Witz«. Windhorst betont, Ärzte würden durch den ver.di-Tarifabschluss nicht mehr, sondern weniger Geld bekommen. Man sei bereit, einen Schlichter einzusetzen, denn, so Windhorst: »Wir sagen die Wahrheit.« Dr. Ximena Sons, Assistenzärztin im 2. Jahr, erklärt, es gehe nicht ums Geld: »Wir haben keine Freizeit und das macht mürbe. Das muss entsprechend entgolten werden.« Dr. Leuner ergänzt: »Die ärztlichen Dienstpläne sind ein Schlag ins Gesicht.« Für Windhorst ist die »Solidarität noch nie so groß wie jetzt« gewesen. Das gelte auch für das Pflegepersonal. Das empört sich in einem »Offenen Brief« darüber, durch ein neues Arbeitszeitmodell finanzielle Einbußen hinnehmen zu müssen; zudem müsse man unter erschwerten Bedingungen arbeiten.
Dr. Theo Windhorst weist darauf hin, dass die Streikenden kein Gehalt bekämen, es gebe keine Streikkasse.
Seiner Überzeugung nach müsse das Klinikum zurzeit pro Tag etwa 200 000 Euro an Einbußen wegen fehlender Patienten hinnehmen, seit gestern ständen rund 200 Betten leer. Er gehe davon aus, dass im Laufe dieser Woche komplette Stationen geschlossen werden müssen, etwa eine Belegung von 30 Prozent übrig bleibe. Pflegekräfte könnten zunächst ihre Überstunden abbauen, er fürchte jedoch eine »kalte Aussperrung« durch die Klinikleitung.
Dr. Christina Gronemeyer glaubt, dass »Ärzte leidensfähig bis zuletzt« seien, dass »das Maß aber voll« sei: »Wir sind streikunerfahren, auf uns selbst gestellt.«
Windhorst verdeutlich, dass es den Medizinern bewusst sei, dass sie durch ihren Streik auch »den eigenen Arbeitsplatz in Gefahr bringen«. Die Gewerkschaft ver.di versuche, die Streikfront zu spalten. Windhorst: »Wir wollen keine Entsolidarisierung.«

Artikel vom 08.08.2006