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Arbeitsloser will Mercedes behalten

Sozialhilfe-Empfänger ruft Gericht an

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WB). Darf ein Hartz-IV-Empfänger einen Mercedes SLK 230 Roadster besitzen? Diese Frage muss in Kürze das Sozialgericht Detmold entscheiden.
Ist ein Mercedes-Cabrio für einen Hartz-IV-Emfänger unangemessen oder nicht?

Als Helmut N. noch einen Job hatte und passabel verdiente, kaufte er sich das schicke Cabrio als Jahreswagen. Aber dann wurde der Handwerksmeister aus Paderborn arbeitslos. Seine Bemühungen, eine neue Stelle zu finden, blieben erfolglos. Ende April sah sich der 41-Jährige schließlich gezwungen, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II zu beantragen. Dafür muss man seine Vermögensverhältnisse offen legen. Und als der Sachbearbeiter der Arbeitsgemeinschaft für Arbeit im Kreis Paderborn (ARGE) las, dass der Antragsteller einen SLK fährt, klingelten die Alarmglocken. Ein Sozialhilfe-Bezieher hinterm Stern - unangemessen.
Grundsätzlich, so ermittelte die Behörde, stünden Helmut N. monatlich 707 Euro zu. Bevor er in deren Genuss komme, müsse er zuvor allerdings »alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit ausschöpfen«. Dabei sei dem Antragsteller auch »zuzumuten, den Mercedes SLK zu veräußern, um sich ein angemessenes Kraftfahrzeug anzuschaffen«. Als angemessen im Sinne des SGB II gelte ein Pkw im Wert von etwa 5000 Euro. Der SLK stünde aber noch mit 11 700 Euro in der Schwacke-Liste und sei deshalb unangemessen.
Eine Taxierung, die der Paderborner Rechtsanwalt Dr. Ewald Hügemann anzweifelt. »Dieser Preis ist auf dem Markt keinesfalls zu erzielen.« Der Wagen sei inzwischen sechseinhalb Jahre alt, habe 128 000 Kilometer gelaufen und bringe bei einem Verkauf vielleicht noch 6000 bis 7000 Euro.
Hügemann verweist zudem auf ein Urteil des Sozialgerichts Aurich, wonach ein Bezieher von Arbeitslosengeld II nicht verpflichtet sei, ein zuverlässiges Fahrzeug gegen ein unzuverlässiges einzutauschen. »Mein Mandant braucht ein Auto, um für den Arbeitsmarkt flexibel zu bleiben. Warum soll er dann den soliden, zuverlässigen SLK gegen ein geringerwertiges, damit im Zweifel aber auch reparaturanfälligeres mit dem Risiko unbekannter Mängel behaftetes Fahrzeug eintauschen?«, meint Hügemann.
Das Sozialgericht Detmold scheint diese Auffassung zu teilen. In einem Vorabbescheid stellt der Kammervorsitzende fest, dass der Mercedes SLK zwar in der Tat ein Auto der Oberklasse sei. »Dennoch muss auch bei einer Verwertung dieses Fahrzeugs nur der den Gegenwert von 5000 Euro übersteigende Betrag verwertet werden. Deshalb, so rät der Richter der ARGE, »sollte die Beklagte die bisher vertretene Rechtsauffassung erneut bedenken und einer vergleichsweisen Beendigung des Rechtsstreits nähertreten«. Drei Monate sind seitdem vergangen, ohne dass die ARGE reagiert hat. Aber wie es aussieht, wird Helmut N. wohl seinen geliebten SLK weiter fahren können.

Artikel vom 09.08.2006