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Rechtsstreit um Apotheken

Arzneimittelhändler DocMorris erkämpft vor Gericht Etappensieg

Von Edgar Fels
Saarbrücken/Münster (WB). Mit einer ersten Gerichtsentscheidung zu Gunsten einer Filiale des niederländischen Arzneimittelhändlers DocMorris in Deutschland ist die Debatte über eine völlige Liberalisierung des Apothekenmarkts entbrannt.

Das Landgericht Saarbrücken wies gestern in einem Eilverfahren den Antrag einer Saarbrücker Apothekerin auf sofortige Schließung der erst im Juli eröffneten Filiale des niederländischen Konzerns als unbegründet zurück. In der Urteilsbegründung hieß es, eine Verletzung der Vorschriften gegen den unlauteren Wettbewerb sei nicht glaubhaft gemacht worden. Ob die Zulassungsbescheide für die erste deutsche DocMorris-Filiale rechtswidrig sind, darüber habe die Kammer jedoch nicht entschieden.
Mit dem Kauf der Apotheke in der Saarbrücker Innenstadt verstößt DocMorris nach Ansicht der Apothekenverbände gegen das deutsche Fremdbesitzverbot. In Deutschland sei es per Gesetz nur Apothekern gestattet, eine Apotheke zu betreiben. Seit 2004 dürfen Apotheker in Deutschland drei weitere Filialen haben. Der niederländische Internet-Arzneihändler beruft sich dagegen auf die Niederlassungsfreiheit innerhalb der Europäischen Union.
Viele Apotheker befürchten, das Urteil könnte es künftig Kapitalgesellschaften und GmbHs erlauben, eine oder mehrere Apotheken zu betreiben. »Das Gut Gesundheit darf nicht zum Spielball anonymer Kapitalinteressen werden«, warnte der Geschäftsführer des Apothekerverband Westfalen-Lippe (2240 Apotheken), Rötger von Dellingshausen, gestern im Gespräch mit dieser Zeitung.
Der auch für Ostwestfalen-Lippe zuständige Verband aus Münster sieht in dem Landgerichtsurteil allerdings noch keine Entscheidung darüber gefallen, ob Kapitalgesellschaften künftig zum Betrieb von Apotheken zulässig sind. »Die deutschen Apotheken werden sich mit allen Mitteln dagegen wehren, dass die zuverlässige, sichere und im internationalen Vergleich keineswegs zu teure Arzneimittelversorgung in Deutschland durch die kalte Küche ruiniert wird«, wetterte Verbandsvorsitzender Horst Lothar Müller gestern.
DocMorris-Chef Ralf Däinghaus zeigte sich erleichtert. Sein Unternehmen (Umsatz 2005: 152 Millionen Euro) wolle in Deutschland keine Apothekenkette aufbauen, sondern in Saarbrücken ein zweites Versandhandelszentrum errichten, sagte er. Mit einer Apotheke in Deutschland habe DocMorris zudem die Chance, an der Entwicklung des »elektronischen Rezeptes« teilzunehmen, betonte eine Unternehmenssprecherin. »Das ist die Zukunft im Gesundheitswesen. Da möchten wir dabei sein«, sagte sie.
Der saarländische Gesundheits- und Justizminister Josef Hecken (CDU), der die Betriebserlaubnis für DocMorris erteilt hatte, ist überzeugt, durch mehr Wettbewerb könnten bis zu acht Prozent der Arzneimittelausgaben gespart werden, die sich 2005 auf etwa 23,4 Milliarden Euro beliefen. Die Bundesregierung kündigte eine Änderung des Apothekengesetzes für den Fall an, dass Gerichte die deutsche Rechtsetzung als unvereinbar mit EU-Recht bewerten. Wirtschaft / S. 4: Kommentar

Artikel vom 10.08.2006