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Israel will Hisbollah ausschalten

Nochmalige Ausweitung der Offensive mit etwa 30 000 Soldaten

Jerusalem (dpa/Reuters). Das israelische Sicherheitskabinett hat vier Wochen nach dem Beginn des Krieges im Libanon eine nochmalige Ausweitung der Offensive gegen die Hisbollah beschlossen.
Truppen sollten bis zu 30 Kilometer tief auf libanesisches Gebiet vorstoßen, um die Raketenangriffe der Miliz zu stoppen, berichteten israelische Medien nach der Sitzung. Der israelische Arbeitsminister Elijahu Ischai sagte, der Militärschlag solle etwa einen Monat dauern. Für die Großoffensive sollen nach israelischen Medienberichten mehrere zehntausend Soldaten in den Südlibanon verlegt werden. Sie sollen bis zum Fluss Litani vorstoßen. Es ist die zweite bedeutende Ausweitung der israelischen Bodenoffensive.
Vor der Sitzung hatten mehrere Politiker gefordert, der radikalen Hisbollah entschiedenere Schläge zu versetzen. Neun von zwölf Ministern stimmten für den Einsatz, drei enthielten sich der Stimme. »Die Einschätzung ist, dass es 30 Tage dauern wird. Ich halte solche Schätzungen für falsch. Ich denke, es wird deutlich länger dauern«, zitierte die Zeitung »Haaretz« Arbeitsminister Ischai.
Ein dem Sicherheitskabinett vorgelegter Plan sah vor, insgesamt etwa 30 000 Soldaten in das umkämpfte Gebiet zu verlegen, die dort Raketenstellungen und Waffenlager der Hisbollah zerstören sollen. Bei einem solchen Militäreinsatz könnten aber 300 bis 500 israelische Soldaten getötet werden, wurden Militärexperten zitiert
Die israelische Luftwaffe flog in der Nacht mehr als 100 Angriffe. Es seien vor allem Gebäude angegriffen worden, die von der Hisbollah als Unterschlupf oder Kommandoposten benutzt würden, sagte eine Militärsprecherin in Tel Aviv. Außerdem habe die Luftwaffe vier Raketenstellungen der Schiiten-Miliz zerstört. Bei den israelischen Luftangriffen starben gestern neun Zivilisten.
Der Chef der radikalislamischen Hisbollah, Scheich Hassan Nasrallah, rief gestern Abend im TV die in der israelischen Hafenstadt Haifa lebenden Araber zum Verlassen der Stadt auf. Nasrallah: »Wir haben bislang wegen euch gezögert, die Stadt anzugreifen..., deswegen verlasst jetzt bitte die Stadt.« Offenbar plant Nasrallah jetzt massivere Angriffe auf die Stadt als Reaktion auf die angekündigte Ausweitung der israelischen Bodenoffensive. Er sagte aber auch, dass er sich nicht dem Vorschlag der Beiruter Regierung widersetze, 15 000 libanesische Soldaten im Südlibanon zu stationieren. »Wir haben akzeptiert, dass die Armee in den Südlibanon geht..., aber wir sorgen uns immer noch um die Armee, weil sie nicht gut ausgerüstet ist, um einem solchen Feind (Israel) entgegenzutreten.«
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sah gestern trotz der zugespitzten Lage eine Chance für eine diplomatische Lösung im Nahost-Konflikt. Das Fenster der Diplomatie sei noch offen, sagte der SPD-Politiker nach seinem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert.
»Die israelische Regierung hat mir mitgeteilt, dass es ihr Interesse ist, innerhalb kürzester Zeit zu einer Resolution in New York zu kommen, die das einleitet, was wir alle wollen - die Beendigung der Kämpfe«, sagte er. Die Kämpfe könnten beendet werden auf der Grundlage einer Resolution, an der die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates jetzt arbeiteten und bei der es Annäherungen gebe.
Die Entscheidung der libanesischen Regierung, 15 000 eigene Soldaten im Süden des Landes nach einem Abzug der Israelis stationieren zu wollen, würdigte der Minister als einen »wichtigen Schritt«. Es entspreche der Forderung der Weltgemeinschaft, dass die libanesische Regierung das staatliche Gewaltmonopol auch auf den Süden des Landes ausdehnten.

Artikel vom 10.08.2006