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Situation der
freien Künstler
ist »prekär«

Kulturrat: kaum noch Stipendien

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Bund und Länder machen freien Künstlern zunehmend das Leben schwer. »Sie leiden am meisten unter den Sparbemühungen«, sagte der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, dieser Zeitung. Die individuelle Künstler- und Atelierförderung sei weitgehend abgeschafft worden, zudem gebe es immer weniger Stipendien.
Geschäftsführer Olaf Zimmermann. Foto: Jung-Wolff

Freiberufliche Künstler verdienen nach den Worten Zimmermanns mittlerweile nur noch etwa 10 000 Euro im Jahr. Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates als Dachverband der Künstler und Kultureinrichtungen gibt zu bedenken: »Die großen Erfolge der Festivals und Ausstellungen in diesem Sommer, in Salzburg und Bayreuth und auch die Guggenheim Collection in Bonn lassen manchmal vergessen, dass dies alles nur möglich ist, weil Künstler in allen Zeiten Neues erdacht, komponiert, geschrieben und gemalt haben. Oftmals war und ist die wirtschaftliche und soziale Lage der Künstler prekär.«
Dass 8,4 Prozent der befragten freiberuflichen Künstlerinnen und Künstler ihren Beruf am liebsten ganz an den Nagel hängen wollen und 21 Prozent die finanzielle Sicherheit einer Festanstellung suchen, sei ein deutliches Zeichen für die schwierige wirtschaftliche Situation vieler Künstler.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden gaben Bund, Länder und Gemeinden 2005 etwa 8,03 Milliarden Euro für Kultur aus. Das entspreche 0,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das meiste Geld ging in den Bereich »Theater und Musik« (37 Prozent), gefolgt von den Museen (16 Prozent) und Archiven und Bibliotheken (15,8 Prozent). »Viel Geld fließt in die Tanker Theater und Opernhäuser«, sagte Zimmermann und fügte kritisch hinzu: »Dort wird ein unglaublicher Aufwand getrieben, um diese Form der Kunst aufrechtzuerhalten.« Während die Stadtväter versuchten, bei Theater- und Opernensembles keine Stellen zu streichen, würden sie gleichzeitig Museumspädagogen nicht weiter beschäftigen und Bibliotheken vernachlässigen.
Bei Theatern und Museen stehe Deutschland international gut da: »Hier haben wir eine Dichte, um die uns die meisten Länder in Europa und der Welt beneiden.« Allerdings drohe die Kunstszene an der Basis zurückzufallen. Deshalb fordert Zimmermann die großen Häuser auf, mehr Solidarität zu üben, freie Ensembles einzuladen und ihnen Auftrittsmöglichkeiten zu bieten. Im »Verteilungskampf« der Kultureinrichtungen um das knapper gewordene Geld müssten die privaten Stiftungen ausgleichend wirken. Anstatt Geld für spektakuläre Ausstellungen beizusteuern, sollten sie sich für die Kultur an der Basis einsetzen und zum Beispiel Ateliers unterstützen, sagte Zimmermann.
Unter den Bundesländern spiele Nordrhein-Westfalen eine eher unrühmliche Rolle. Gerade einmal 0,27 Prozent des Etats gebe das bevölkerungsreichste Land für die Kultur aus, umgerechnet 69 Euro pro Einwohner (in Baden-Württemberg und Bayern sind es 89 Euro). Zimmermann: »Wir begrüßen sehr, dass Nordrhein-Westfalen den Kulturetat verdoppeln möchte, aber es wird eben nur ein geringer Etat verdoppelt.« Bei der Bodendenkmalpflege spare das Land in diesem Jahr nicht, betonte NRW-Bauminister Oliver Wittke. Mit dem »respektablen Förderpaket« von 3,017 Millionen Euro ließen sich die wichtigsten archäologischen Untersuchungen beispielsweise in Delbrück-Anreppen und in Paderborn bestreiten, glaubt er. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe erhalte 50 000 Euro, um ältere Grabungen in Bezug auf die Varus-Schlacht 9. nach Christus abzuschließen. S. 4: Kommentar

Artikel vom 12.08.2006