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Überall Leute
aus Czernowitz

Eine Reise in die Vergangenheit

ARD, 22.45 Uhr: Filmemacher Volker Koepp, 62 Jahre alt, ist spezialisiert auf Dokumentationen aus dem Osten Europas. Der gebürtige Stettiner drehte bereits Filme über die Kurische Nehrung und über Königsberg.
Die Schwestern Katja Rainer und Eva Mayer treffen in Czernowitz Johann Schlamp (90).

Sein Dokumentarfilm »Dieses Jahr in Czernowitz« entstand 2004 in der ukrainischen Stadt nahe der rumänischen Grenze, in der Bukowina. Schon einmal war Koepp in Czernowitz: als er dort 1999 den Kinofilm »Herr Zwilling und Frau Zuckermann« drehte.
»Dieses Jahr in Czernowitz« erzählt von Menschen, die nach Jahrzehnten das Land ihrer Vorfahren besuchen - unter ihnen der Schauspieler Harvey Keitel und der Schriftsteller Norman Manea. In Czernowitz lebten bis zum Zweiten Weltkrieg Menschen verschiedener Nationalitäten, Sprachen und Kulturen: Ukrainer, Rumänen, Deutsche, Polen, Huzulen. Beinahe die Hälfte der einst 150 000 Einwohner waren Juden. Nur wenige von ihnen überlebten die von Deutschen und Rumänen 1941 verordnete Deportation.
Die im vergangenen Jahrhundert aus der Bukowina geflüchteten Juden haben Exil in vielen Teilen der Welt gefunden. In ihren Familien wirken die Erinnerungen an Menschen, Lebenswelten und Landschaften nach. Neben Keitel und Manea nimmt Koepp auch den Cellisten Eduard Weissmann aus Berlin auf die Reise mit, aus Wien die Schwestern Evelyne Mayer und Katja Rainer. Sie sehen die Plätze ihrer Herkunft, treffen Menschen, die heute dort leben. Die Studentin Tanja etwa und den beinahe 90-jährigen Deutschen Johann Schlamp.
»Wenn ich ein Thema oder einen Ort gefunden habe, dann will ich da immer mal wieder hin«, sagt Koepp. »Schon wegen der Kontakte, die sich im Laufe der Filmarbeit entwickeln.« Bei der Berliner Uraufführung von »Herr Zwilling und Frau Zuckermann«, einem jüdischen Schicksal, lernte Koepp den jüdischen Cellisten eines Symphonieorchesters kennen, der 1943 im Getto von Czernowitz geboren wurde. Bei der Uraufführung in Wien begegnete er Evelyne Mayer, die ihm von ihrer Kindheit erzählte. »Eins kam zum andern«, sagt Koepp. »In London und Israel, überall, traf ich Leute mit der Heimat Czernowitz.«

Artikel vom 08.08.2006